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Im Brennglas der Alexandertechnik: Wort und Wirkung


Liebe Marie,

"eine der stärksten Drogen für den Menschen - Drogen im medizinischen Sinn - (sind die Worte) anderer Menschen: Was der Arzt dem Patienten sagt, kann eine Wirkung selbst dann entfalten, wenn kein Medikament gegeben wurde." Dies schreibt Joachim Bauer in seinem Buch 'Selbststeuerung - Die Wiederentdeckung des freien Willlens', (Blessing Verlag, 2015). "Wer die Effekte zwischenmenschlicher Kommunikation auf die Biologie unseres Körpers in den Bereich der Einbildung verbannen will, liegt vollständig daneben", heißt es dort weiter. In der Gehirnregion des Präfrontalen Cortex' sei "sozusagen ein innerer Heiler oder innerer Arzt" beheimatet, der für Kommunikation zugänglich sei. Worte könnten in der Tat biologische Wirkungen in uns auslösen.


Joachim Bauer spricht davon, dass es die Worte anderer sind, die für diese Wirkungen verantwortlich seien. F. M. Alexander hat mit seiner Alexandertechnik gezeigt, dass auch eine Kommunikation mit sich selbst äußerst positive Wirkungen auf den geistig-körperlichen Organismus des Menschen haben kann, wenn es darum geht, bei sich Verhaltensveränderungen in die Wege zu leiten. Da ist zunächst einmal das kleine Wörtchen 'nein'. Es ist der Schlüssel, mit der eine Verhaltensänderung überhaupt erst möglich gemacht wird. Das Sagen oder Denken des Wortes 'nein' setzt augenblicklich einen Prozess in Gang, der in der Alexandertechnik Hemmung genannt wird. "Der Prozess der Hemmung muss bei dieser Arbeit die allererste Stelle einnehmen. Er muss auch der alles bestimmende Faktor bei jeder weiteren neuen Erfahrung bleiben, die es zu machen gilt und die bei Aufbau und Weiterentwicklung einer zuverlässigen sinnlichen Wahrnehmung zu einer festen Größe werden muss. Denn von einer zuverlässigen sinnlichen Wahrnehmung hängt ein befriedigendes Koordinationsniveau ab." Dies schreibt F. M. Alexander in "Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen (BooksonDemand, 2018), der Neuübersetzung ins Deutsche von CONSTRUCTIVE CONSCIOUS CONTROL OF THE INDIVIDUAL.


Mit der Hemmung der unmittelbaren Reaktion auf einen Impuls ist ein wesentlicher Schritt getan, um nicht in die alten falschen Verhaltensgewohnheiten zurückzufallen. In einem nächsten Schritt erhält der Schüler bestimmte Steuerungsbefehle an die Hand, wobei er zunächst lernen muss, sich in der gegebenen Situation an sie "zu erinnern und sie miteinander in Beziehung zu setzen." Dies kann durchaus eine große Herausforderung darstellen und wird im seltensten Fall von heute auf morgen gelingen.


Das Erinnern und das In-Beziehung-setzen sind nicht die einzigen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Anweisungen oder Steuerungsbefehlen: "Die Schüler tun manchmal so, als ob es etwas ganz Außergewöhnliches und Neues wäre, sich selbst Befehle zu erteilen. Nur vergessen sie dabei, dass sie dies bereits von frühesten Kindesbeinen an beständig unterbewusst getan haben. Anders wäre es ihnen nämlich gar nicht möglich, ohne Hilfe von außen aufzustehen, geschweige denn umherzugehen. Das Neue (...) ist für den Schüler allein, dass er sich die Befehle jetzt ganz bewusst erteilen soll." (ebenda)


Es sind zunächst vier Befehle, mit denen die Primärkontrolle über das Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken erlangt werden kann. F. M. Alexander schreibt zu diesen Anweisungen oder Befehlen folgendes:

Lass den Hals frei (Entspanne den Hals)

"Von Seiten eines Schülers entsteht erhebliche Konfusion, wenn er Anweisungen gehorchen will, irgendeinen Teil seines Organismus zu entspannen." Es sei nämlich ein Trugschluss, "eine Entspannung auf direktem Wege bewirken zu können."

Kopf nach vorne und oben

"Kein Ausdruck löst größere Konfusion aus als der Ausdruck 'Kopf nach vorne und oben'. Es ist die Anweisung, die am wenigsten passend ist, um die dahinterstehenden Vorstellungen in Worte zu kleiden." Es sei deshalb wichtig, dass der Lehrer seinen Schüler "mit den exakten Erfahrungen vertraut macht, die mit diesen Worten verbunden sind."

Wirbelsäule lang

"Einer der häufigsten Defekte des heutigen Menschen ist eine übermäßige Krümmung der Wirbelsäule, wenn er die ganz normalen Tätigkeiten des Alltags ausführt. Die Folge einer derartigen Verkrümmung ist die Verkürzung der Statur." Wenn also die übermäßige Krümmung der Wirbelsäule wieder rückgängig gemacht werde, führe dies auch automatisch zu einer Verlängerung der Wirbelsäule.

Rücken weiten

"Die Anweisung 'Weite den Rücken' konkurriert in Bezug auf ihre Mängel sehr stark mit der Anweisung 'Kopf nach vorne und oben'. Sie soll deshalb nur von einem Lehrer erteilt werden, der auch in der Lage ist, (...) den Organismus des Schülers so neu zu justieren, dass die gewünschten Verhältnisse hergestellt werden."


Ein Alexandertechniklehrer kann diese Befehle allmählich mit Inhalt füllen, indem er durch Manipulation seinen Schüler die dafür notwendigen kinästhetischen Erfahrungen machen lässt. Diese Befehle verbinden sich mit den durch den Lehrer vermittelten sinnlichen Wahrnehmungen zu Vorstellungen, wenn er die einzelnen Teile des Organismus nach und nach an ihren angestammten Platz bringt und so den Organismus neu koordiniert. Diese Vorstellungen werden dann von dem Schüler durch das Erteilen der Befehle zur Primärkontrolle in die entsprechenden koordinativen Verhältnisse umgesetzt.


In meiner Vorstellung, liebe Marie, ist der Rumpf federnd zwischen Kopf, Armen und Beinen aufgehängt, so wie das Tuch eines Trampolins in seinem Rahmen aufgehängt ist, und der Rücken bleibt bei allem, was ich tue, hinter den Extremitäten, weil der Kopf energisch nach vorne und oben geht und den Rücken in die Länge und in die Breite führt.

Bis bald

Dein Großvater



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