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IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Philosophische Gedanken von Hannah Arendt


Liebe Marie,

"ein Wesenszug menschlichen Handelns ist, dass es immer etwas Neues anfängt. Das bedeutet aber nicht, dass es jemals möglich ist, AB OVO anzufangen oder EX NIHILO etwas zu schaffen. Um Raum für neues Handeln zu gewinnen, muß etwas, das vorher da war, beseitigt oder zerstört werden. Der vorherige Zustand der Dinge wird verändert. Diese Veränderung wäre unmöglich, wenn wir nicht imstande wären, uns geistig von unserem physischen Standort zu entfernen und uns vorzustellen, dass die Dinge auch anders sein könnten." Dies schreibt die Philosophin Hannah Arendt in ihrem Essay "Die Lüge in der Politik".


Was Hannah Arendt hier im Zusammenhang mit nach außem gerichtetem Handeln ausdrückt, trifft auch für die nach innen gerichteten Vorgänge im Menschen zu. Um ein bestimmtes Verhalten, beispielsweise das Anspannen der Halsmuskeln und das Zurückziehen des Kopfes, verändern zu können, muss der Mensch in der Tat zuerst dieses bisherige Verhalten löschen oder hemmen, wie es in der Sprache der Alexandertechnik heißt. Erst mit der Hemmung der bisherigen Reaktion auf einen Impuls wird der Weg frei für eine andere Reaktion, bei der eben z. B. nicht die Halsmuskeln angespannt und der Kopf zurück- und eingezogen wird.


Dabei gilt es jedoch, einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen: Da ist die kinästhetische Wahrnehmung wieder neu zu beleben, verlorengegangen im Laufe der zivilisatorischen Entwicklung, um auch wahrzunehmen, dass die Halsmuskeln angespannt sind und der Kopf zurückgezogen wird; da ist die fehlende Vorstellung davon, wie eine veränderte Reaktion überhaupt aussehen könnte; und da ist die zu leistende Umstellung von einer unterbewussten Steuerung und Kontrolle auf eine bewusste Steuerung und Kontrolle.


Unter den Händen eines Alexandertechniklehrers kann sich die kinästhetische Wahrnehmung eines Schülers mehr und mehr entwickeln. Mit dem geschickten Handeinsatz des Lehrers in Verbindung mit den Steuerungsbefehlen zur Primärkontrolle von Kopf, Hals und Rücken entwickelt sich bei dem Schüler aus einer vagen Vorstellung allmählich ein konkretes Handlungskonzept zur Veränderung seines allgemeinen Gebrauchs. Der Schüler lernt, sich so zu gebrauchen, dass das natürliche Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken jetzt weitgehend ungestört bleibt.


Bis bald

Dein Großvater


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