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IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Gefangen in Gedanken


Liebe Marie,

"von Zwangsstörungen sind zwei bis drei Prozent aller Deutschen betroffen. Zu diesen Störungen zählen Wasch-, Kontroll- oder auch Symmetrie- und Ordnungszwänge", heißt es in der Westfälischen Rundschau vom 5. November 2022. Zur Frage der Ursachen für eine Zwangsstörung gebe es keine einfache Antwort oder, anders ausgedrückt, man wisse nicht, was die Ursachen dafür seien, dass ein Mensch in seiner wirren Gedankenwelt gefangen ist, sagt der Psychologe Thomas Hildebrand in dem Zeitungsartikel.


Nun kann eine Zwangsstörung harmlos, ja sogar attraktiv sein, wie es bei Max in dem Film "Die Entdeckung des Himmels" der Fall ist, bei dem niemals ein größeres Buch auf einem kleineren liegen darf und bei dem alle Dinge immer nach dem Harmoniegesetz des Goldenen Schnitts angeordnet sein müssen. (Dass Max schließlich von einem Meteoriten erschlagen wird und rückstandslos verdampft ist, tut hier nichts zur Sache.) Eine Zwangsstörung kann aber auch krankhafte Ausmaße annnehmen, mit Augendruck, Herzrasen, Schwindel, mit Panik- und Angstattacken.


An dieser Stelle kommt der Betroffene ohne eine geeignete Therapie wahrscheinlich nicht weiter. Bei der "Konfrontationstherapie" wird der Patient wieder und wieder in Situationen gebracht, in denen er sich seinem Problem oder seinen Problemen stellen muss, nicht nur in den Räumen des Therapeuten, er ist auch gehalten, sich ihnen außerhalb zu stellen. Ein Gewöhnungseffekt soll so erzielt werden und das Gefühl, dass der Patient sich durchaus selbst vertrauen kann. Und auch Hypnose kommt gerne bei Zwangsstörungen zum Einsatz.


Ob ein Patient mit der Alexandertechnik aus seinem Gedankengefängnis befreit werden kann? Die Chancen dazu stehen gar nicht einmal so schlecht. Wie es in einem Gefängnis einges Geschicks und einiger Kreativität bedarf, um Dinge einzuschmuggeln - Drogen oder Ausbruchswerkzeug z. B. - müsste auch der Alexandertechnik-Lehrer ganz geschickt vorgehen, um die Tools in das selbst-geschaffene Gefängnis des Patienten einzuschleusen, mit dem er sich dann selbst aus seinem Gefängnis befreien könnte. Weil dies wie im richtigen Gefängnis hinter dem Rücken der Wärter geschehen muss, wird der Lehrer indirekt vorgehen müssen und nicht direkt in die Gedankenwelt seines Patienten eindringen können. Er wird versuchen, das Denken seines Patienten dadurch zu verändern, dass er den falschen Körpergebrauch verändert, der zwangsläufig mit seinen abstrusen Gedanken verbunden ist. Denken allgemein spiegelt sich nämlich generell im Körpergebrauch und krudes Denken macht diesen Gebrauch stark auffällig.


Was sind nun die Tools, die es einzuschleusen gilt? Der Lehrer wird seinen Patienten behutsam an neue Bewegungserfahrungen heranführen, hin zu einem Gebrauch, bei dem er nicht länger seinen Kopf ein- und zurückzieht, seine Wirbelsäule staucht und verkürzt und so seinen Rücken eng macht. Der Lehrer wird ihm diese Erfahrungen vermitteln, indem er ihn in Verbindung mit den Steuerungsbefehlen zur Primärkontrolle des Verhältnisses zwischen Kopf, Hals und Rücken durch bestimmte Bewegungen führt. Diese Steuerungsbefehle - Hals frei; Kopf nach vorne und oben; Wirbelsäule lang und Rücken weiten - sind es, die sich mehr und mehr anstelle seiner kruden Gedanken im Denken des Patienten festsetzen sollen. Wenn der Patient zudem gelernt hat, seinen bisherigen falschen Gebrauch zu hemmen und mit ihm seine falschen Gedanken, werden sie dies über kurz oder lang auch tun.


Bei manchen Angststörungen muss sogar ein Therapeut passen. Bei F., von dem in der Westfälischen Rundschau die Rede ist, war dies der Fall: Am Ende konnte er das Haus nicht mehr verlassen, ohne einen bestimmten Punkt auf der Tapete fixiert zu haben. Außer Haus war er immer auf der Suche nach einer Null oder einem "O", die die anderen "schlimmen" Zahlen, Buchstaben, Hinweise oder Zeichen wenigstens für einen kurze Zeit "neutralisieren" konnten. Sein Körper war beständig auf Alarmstufe Rot. Ob in einem solchen Fall die Alexandertechnik greift? - Es kommt auf einen Versuch an. Der Psychologe Thomas Hildebrand will seinen Patienten immer wieder mit der Sitituation konfrontieren, um einen Gewöhnungseffekt zu erzielen. Mit der Alexandertechnik wird der Versuch unternommen, die alten Denkschemata zu löschen und durch neue Denkmuster zu ersetzen. Nicht durch Konfrontation, sondern durch "Replacement" und "Löschung" soll der Patient von seinem Trauma befreit werden.


Bis bald

Dein Großvater


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