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Im Brennglas der Alexandertechnik: Kopfschmerzen und Migräne


Liebe Marie,

knapp 40 Prozent der erwachsenen Deutschen haben mehrmals im Monat Kopfschmerzen, wird das Statistische Bundesamt in der Westfälischen Rundschau vom 30. September 2019 zitiert. Starke, regelmäßig wiederkehrende Kopfschmerzen, die häufig von Appetitlosigkeit, Übelkeit oder auch Überempfindlichkeit gegenüber Lärm und Geräuschen begleitet werden, bezeichnet man als Migräne. Von chronischer Migräne spricht man, wenn ein Mensch an mehr als fünfzehn Tagen im Monat von Kopfschmerzen geplagt ist.

Es gebe zahlreiche Ansätze, Migräne zu bekämpfen. Dazu gehörten Entspannungstechniken, Yoga, Ausdauersport, ein Speiseplan ohne Rotwein, ohne Schokolade und ohne bestimmte Käsesorten und natürlich Schmerzmittel und Medikamente wie Antidepressiva, Betablocker, Medikamente gegen Epilepsie oder Kalzium-Antagonisten und neuerdings eine Therapie mit "neuronalen Antikörpern".

Als Ursachen von Migränekopfschmerzen werden auf der Internetseite "infoMedizin" eine Störung des Serotonin-Gleichgewichts, genetische Veranlagung und auch muskuläre Verspannungen, beispielsweise durch eine muskuläre Verspannung am Arbeitsplatz, sowie Fehlstellungen am Bewegungsapparat angeführt.

Gerade muskuläre Verspannungen und Fehlstellungen am Bewegungsapparat sind aus Sicht der Alexandertechnik von besonderem Interesse, heißt es auf der Seite von "infoMedizin" doch weiter: "Von zentraler neurologischer und biomechanischer Bedeutung sind die ersten beiden Halswirbel, da sie die Verbindungsstelle zwischen Gehirn und Rückenmark darstellen. Aus der oberen Wirbelregion erhält das Gehirn den überwiegenden Teil der Informationen, die ein aufrechtes Stehen erst ermöglichen. Zudem sind Gleichgewichtszentrum und Rückenmark durch Bindegewebe unmittelbar miteinander verknüpft. Der Thalamus, das Koordinationszentrum des Gehirns, erhält insbesondere aus der oberen Halswirbelsäule zahlreiche Informationen für die Wahrnehmung von Körperbewegung und Körperlage im Raum."

Dr. A. Murdoch, der damalige Präsident der 'British Medical Association', hat unter der Überschrift 'Die Funktion der Suborbitalmuskeln' - diese Muskeln setzen an diesen ersten beiden Halswirbeln an - 1936 einen Vortrag gehalten. Er stellt darin fest, dass die Suborbitalmuskeln die Aufgabe haben, "die Schädelkugel im Atlanto-Okzipital- und im Atlanto-Axialgelenk zu bewegen". Und sie seien "überaus wichtig, um die Schädelkugel richtig auszubalancieren". Aufgrund dieser Balance sei es dem koordinierenden und regulierenden Apparat (dem Vestibularapparat) möglich, das richtige und angemessene Verhältnis zwischen Schädelkugel und Körper zu erhalten.

Nun sei aber bei der großen Mehrheit der Menschen die Kontrolle dieser Schädelkugelfunktion verloren gegangen und mit ihr die Fähigkeit, sich richtig zu halten und auszurichten. "Aufgrund dieses Kontrollverlusts sind die vielen Einschränkungen und Behinderungen entstanden, unter denen der Mensch heute zu leiden hat." Von diesen Einschränkungen und Behinderungen kann sich jeder ein eigenes Bild machen, wenn er mit einem wachen und geschulten Blick durch seine Stadt geht.

In seinem Vortrag spricht Dr. Murdoch davon, dass der Mensch die Kontrolle über die Funktion der Schädelkugel verloren hat. Warum er diese Kontrolle verloren hat, erklärt F. M. Alexander so: Der Mensch greift auf schädliche Weise in das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken ein, wenn er z. B. die Halsmuskulatur benutzt, um damit Handlungen auszuführen, für die sie wahrlich nicht gedacht und geeignet sind oder wenn er seine Muskeln generell übermäßig anspannt, ohne sicherzustellen, dass dieses natürliche Verhältnis durch das Verkürzen der Muskeln nicht gestört wird. Zum einen überlagert eine übermäßige Muskelkontraktion die feinen Kontraktionen der Subokzipitalmuskeln, so dass sie nicht länger so zum Zuge kommen, wie es sein sollte. Zum anderen stören die groben äußeren Muskelkontraktionen die kinästhetische Wahrnehmung, so dass die kinästhetischen Rezeptoren nur eingeschränkte, falsche oder keine Informationen an das Gehirn übermitteln. Wenn die kinästhetische Wahrnehmung außer Kraft gesetzt ist, merkt das Gehirn auch nicht, dass der Betroffene beständig den Kopf zurückgezogen hält. Ein solcher Eingriff in die Primärkontrolle hat auf den Organismus ohne Frage die schädlichen Auswirkungen, von denen Dr. A. Murdoch oben spricht. In der Tat gehören zu den "vielen Einschränkungen und Behinderungen (..), unter denen der Mensch heute zu leiden hat",

auch Kopfschmerzen und Migräne.

F. M. Alexander sei es in einer langen Reihe von Selbstexperimenten gelungen, eine Technik zu entwickeln, um die Subokzipitalmuskeln wieder in ihrer ursprünglichen Form zu aktivieren. Wenn die Subokzipitalmuskeln wieder ihre Aufgaben wahrnehmen können, wird die Wirbelsäule nicht länger gestaucht, weil der Kopf nicht mehr mit seinem ganzen Gewicht auf ihr lastet. Mit der Gewichtsentlastung bilden sich auch die durch die Stauchung entstandenen Lordosen und Kyphosen allmählich zurück und mit der Zeit wird sich die Wirbelsäule wieder in ihrer vollen Länge und der Rücken in seiner vollen Breite präsentieren. Mit der Alexandertechnik werden alle Teile des Organismus wieder so koordiniert und ausgerichtet, "dass die Fehlstellungen und die normalerweise damit verbundenen Krankheitssymptome verschwinden". Und das gilt gerade auch für die Stellung des Kopfes: Er wird nicht länger zurückgezogen werden, so dass Migräne und ihre Vorstufe, die Kopfschmerzen, gar nicht erst auftreten können.

Um die herausragende Stellung des Menschen in der Schöpfung gegenüber dem Tier zu belegen, hat es so manche Erklärungsversuche gegeben, angefangen von dem göttlichen Funken, der dem Menschen eingepflanzt worden sein soll, bis hin zu Descartes' Behauptung, dass das Tier im Gegensatz zum Menschen keine Seele besäße und also auch keine Schmerzen erleiden könne. Descartes ist eindeutig widerlegt worden und was den göttlichen Funken angeht, mag sich jeder sein eigenes Urteil erlauben. Dr. A. Murdoch weist am Ende seines Essays auf einen Punkt hin, der eine tragfähigere Erklärung für die herausragende Stellung des Menschen in der Schöpfung liefert: Die Haltungs- und Gebrauchsverhältnisse sind bei einem Tier immer normal und richtig. In dieser Hinsicht tun sie dieselben Dinge immer auf dieselbe Art und Weise und können auch nicht dazu veranlasst werden, sich über einen längeren Zeitraum falsch zu gebrauchen. Der Mensch hat die Freiheit, genau dies zu tun und macht davon leider zu seinem eigenen Schaden reichlich Gebrauch. Wer mit offenen Augen durch die Straßen unserer Städte schlendert, kann sich davon ein Bild machen. Und auch der hohe Krankenstand in einer Gesellschaft, in der Krankheit im weitesten Sinne der Normalfall und Gesundheit eher die Ausnahme sind, ist deutlicher Beleg dafür.

Bis bald

Dein Großvater

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