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Im Brennglas der Alexandertechnik: Arthrose und Arthritis


Alexandertechnik

Liebe Marie,

Arthrose und Arthritis seien zwei Krankheitsbilder, die oftmals verwechselt würden. Tatsächlich bezeichnet die Medizin mit dem ersten einen Knorpelverschleiß im Gelenk, mit dem anderen eine Entzündung des Gelenks.

Gerne nehme ich das Thema der WAZ-Verlagsbeilage gesund & AKTIV auf, weil es mir Gelegenheit gibt, über meine Aha-Erfahrung zu sprechen, die mir gezeigt hat, dass es eine falsche Abzweigung war, die Beweglichkeit meiner Fußgelenke auf dem Übungsweg direkt anzugehen.

Das Jahr 2012 hatte für mich wahrlich keinen guten Anfang genommen. Die Schmerzen, die sich plötzlich in den Fuß- und Kniegelenken bemerkbar gemacht hatten, waren so heftig, dass ich sie nicht ohne Schmerztabletten ertragen konnte. Mein Hausarzt, der mich bis dahin gar nicht näher kannte, wusste schließlich keinen anderen Rat, als mich an einen Orthopäden zu überweisen. Es wurden Röntgenaufnahmen gemacht und ich wurde zur tomographaphischen Untersuchung geschickt. Das Ergebnis dieser Untersuchungen lässt sich so zusammenfassen: Beide Fuß- und Kniegelenke, die linke Fußwurzel und ein Gelenk des linken Daumens hatten sich entzündet. Es handelte sich also um eine Arthritis.

Außerdem hat das Ganzkörperknochenszintigramm - ja, so wird die Untersuchungsmethode tatsächlich genannt, Marie - einiges zu Tage befördert, was in dem ganzen Unglück auch Anlass zur Freude für mich war: Es gab keinen auffälligen Befund an der Wirbelsäule, keine Entzündung des Ileosakralgelenks - der gelenkigen Verbindung zwischen Darm- und Kreuzbein - und auch keine Facettengelenkarthrose; beide Nieren waren regelgerecht dargestellt und der Abfluß aus den Nieren geschah ohne Behinderung; das Herz war nicht vergrößert und es gab dort keine Infiltration, keine Verschattungen und auch keinen tumorverdächtigen Befund.

Was aber nicht festgestellt werden konnte, war eine medizinische Ursache für die Entzündungen. Es gab keine bakterielle Infektion, es lag keine Stoffwechselkrankheit wie Schuppenflechte oder Gicht vor und auch das Immunsystem war nicht in Mitleidenschaft gezogen. wie es z B. bei einer rheumatischen Arthritis der Fall gewesen wäre.

Als die Schmerzen endlich nach etlichen Wochen nachließen, weil sie mich zur Ruhe gezwungen hatten und ich nicht mehr das tun konnte, was ich versuchsweise eine Zeit lang getan hatte, konnte ich allmählich auch wieder klarer denken und mir ist aufgegangen, dass es meine eigene "Dummheit" gewesen ist, die mich außer Gefecht gesetzt hatte.

In den letzten Wochen des alten Jahres hatte ich damit herumexperimentiert, wie die Fußgelenke beweglicher gemacht werden könnten. Mit voller Absicht habe ich den Winkel zwischen Fuß und Unterschenkel kleiner machen wollen und schließlich beim Hinsetzen wohl auch verkleinert. Dabei habe ich die primäre Kontrolle von Kopf, Hals und Rücken völlig aus den Augen verloren, weil ich dermaßen auf mein Ziel fixiert war. Zielorientierung ist aber in diesem Bereich der völlig falsche Ansatz, wie F. M. Alexander in: Die Konstante im Fluss des Lebens,der Neuüberstzung ins Deutsche von THE UNIVERSAL CONSTANT IN LIVING schreibt:"Der zielorientierte Ansatz (...) muss daher aufgegeben werden. Es muss Platz geschaffen werden für einen neuen Ansatz, bei dem die notwendige Zeit zur Verfügung gestellt wird, die man braucht, um sich Gedanken über die Mittel-und-Wege zu machen, mit denen die jeweilige Veränderung bewirkt werden kann. Und der neue Ansatz gibt auch ausreichend Zeit, um diese Mittel-und-Wege erst einmal auszuarbeiten."

Nachdem ich von meinen falschen Vorstellungen und den daraus folgenden falschen Handlungen Abstand genommen hatte, stand meiner raschen Erholung nichts mehr im Wege. Schnell gingen die Entzündungen zurück, um schließlich ganz zu verschwinden. Ich wurde wieder vollständig hergestellt und zudem konnte ich wertvolle Erfahrungen mitnehmen, die mir die Gewissheit verliehen haben, dass der individuelle Gebrauch die Funktionen des Menschen positiv oder negativ beeinflusst und dass es kontraproduktiv ist, auf ein Ziel loszustürmen, ohne die MIttel-und Wege zu bedenken.

Trotz 25-jähriger Erfahrung mit der Alexandertechnik war ich doch in eine Sackgasse geraten. Auch darauf hatte F. M. Alexander sehr wohl hingewiesen, dass man immer einmal wieder eine falsche Abzweigung nimmt, wenn man an einer Weggabelung seines Lebens steht. Mit seiner Technik sei man aber sehr gut gerüstet, früher oder später zu erkennen, dass man den falschen Abzweig genommen hatte. Dann muss man zurück zu der Wegegabelung, um auf dem richtigen Weg weiterzugehen.

In dem grandiosen Film Werk ohne Autor von Florian Henckel von Donnersmarck wird von Joseph Beuys erzählt, dass sein Flugzeug im 2. Weltkrieg über Russland im Kampfeinsatz abgeschossen worden sei. Der Pilot sei sofort tot gewesen. Er selbst habe schwerste Verbrennnungen erlitten. Eine Tatarenfamilie habe ihn aus dem Wrack geborgen und über ein Jahr lang mit Fett für seine verbrannte Kopfdecke und mit Filz für seine Verbrennungen am Körper gesund gepflegt.

So wie Beuys die Wahrheit über die Wirkung von Fett und Filz am eigenen Leibe erfahren hat, habe ich im eigenen Unglück zunächst die Wirkung von schlechtem Gebrauch erfahren, um dann zu erleben, was auf der anderen Seite guter Gebrauch bewirkt. Dafür bin ich unendlich dankbar, denn diese Wahrheit kann mir niemand mehr nehmen.

Bis bald

Dein Großvater

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Hagen

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