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Im Brennglas der Alexandertechnik: Lachen


Der Baum als Symbol der Alexandertechnik

Liebe Marie,

es könnte sein, dass ich mir an dem Thema dieser Woche die Zähne ausbeiße. Lachen entzieht sich irgendwie dem Brennglas der Alexandertechnik, das ich auf das jeweilige Thema halte. Wie sollte es auch anders sein, ist ein Alexanderktiterium ja das Bewusstsein. Ist Lachen, das bewusst ist, überhaupt noch ein Lachen oder ist es eine Imitation des Lachens, eine Attrappe? Und was geht dem Lachen nicht alles verloren von dem, was es ausmacht, wenn es bewusst kontrolliert und gesteuert wird? Wenn der Impuls zum Lachen gehemmt wird, fliegt der Anlass zum Lachen nicht ungenutzt vorbei und es kommt bestenfalls zu einem Schmunzeln? Wenn das Lachen unter die Herrschaft der Primärkontrolle gelangt, wird es dann nicht sozusagen "weichgespült"? Ist es dann nicht wie eine Suppe ohne Salz oder wie waschen im Schongang? Mir scheint, Lachen ist, wie Niesen, Husten, Schlucken oder Schluchzen auch, eine archaische, unterbewusste Lebensäußerung des Menschen und muss auch unterbewusst bleiben, wenn es erhalten bleiben soll. Hat bewusstes Lachen nicht ewas Gekünsteltes, etwas Lächerliches an sich? Will sich jemand eine Welt ohne Lachen auch nur vorstellen, geschweige sich wünschen, dass sie Realität wird? Ich nicht! Ich bin wirklich gespannt, ob es mir im Laufe der Woche gelingt, das Thema "Lachen" rund zu machen, bevor ich den Brief wie jeden Sonntag an Dich absende.

"Lach mal wieder! " Dieser Rat wird uns zu Ostern in meiner Tageszeitung gegeben. Heiterkeit habe positive Auswirkungen auf Körper und Seele, darauf deuteten die Ergebnisse der Gelotologie, der Lachforschung. Beim Lachen seien bis zu 80 verschiedene Muskeln beteiligt. Unser Atem werde mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h ausgestoßen. Es rege den Kreislauf an und stärke das Immunsystem. Das Gehirn werde stärker durchblutet und die Lungenfunktion verbessere sich. Glückshormone würden verstärkt ausgestoßen, Muskelverspannungen durch Lachen abgebaut. Es scheint in der Tat nicht viel zu geben, was gegen das Lachen spräche. (Jemanden auszulachen, über jemanden lachen wäre wohl ein negativer Aspekt des Lachens mit manchmal durchaus dramatischen Konsequezen.)

Emile-Auguste Chartier (1868/1951), genannt Alain, war ein französischer Philosoph. Von ihm habe ich das Büchlein "81 Kapitel über den menschlichen Geist und die Leidenschaften" in meinem Bücherschrank gefunden. Und was glaubst du, Marie, was finde ich darin? Eine kurze Abhandlung über das Lachen, die zudem noch eine Brücke zur Alexandertechnik schlägt! Ich zitiere: "Das Lächeln ist das vollkommene Lachen. Denn im Lachen ist immer Unruhe, wiewohl sie bald abebbt. Doch im Lächeln entspannt sich alles, ohne irgendwelche Unruhe oder Abwehr. (..................) Alle Muskeln entspannen und lockern sich, vor allem die kräftigen Wangen- und Kiefermuskeln.(...) Gleichzeitig arbeiten Atmung und Herz ausgiebig und ungehindert; daher rühren die frische Farbe und das gesunde Aussehen."

Nun gibt es in der Alexandertechnik ein Verfahren, das nennt sich "Das geflüsterte Ah." Kopf, Hals und Rücken des Schülers sind bereits koordiniert worden. Er erhält nun erneut die Befehle zur Primärkontrolle und dann zusätzlich die weiteren: Er soll seinen Mund entfalten zu einem Lächeln; die Zunge solle hinter der unteren Zahnreihe ruhen; er solle erlauben, dass die Kinnlade nach vorne gleitet und der Mund sich öffnet. Dabei und wenn er dann ein "geflüstertes Ah" haucht, ist darauf zu achten, dass er seine Primärkontrolle nicht stört, in dem er in das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingreift.

Jetzt, da ich darüber schreibe, wird mir erst wirklich klar, was es mit dieser Anweisung zu lächeln auf sich hat: Das Lächeln soll es den kräftigen Wangen- und Kiefermuskeln erleichtern, den Unterkiefer einfach herunterklappen zu lassen. So nämlich ist das Kiefergelenk auf eine natürliche Weise zu gebrauchen . Da der Mund durch die Wangen- und Kiefermuskeln geschlossen gehalten wird, genüge es vollkommen, den Einsatzstärke dieser Muskeln herunterzufahren, damit der Mund sich öffne, schreibt F. M. Alexander. Wenn diese Muskeln den Mund nicht länger fest geschlossen halten, bewirkt die Schwerkraft, dass die Kinnlade in der Tat einfach nach unten fällt, wie sie herunterfällt, wenn jemand baff erschrocken, total überrascht oder vollkommen entsetzt ist.

"Nur" schreibe ich und weiß doch aus eigener Erfahrung, dass dies leichter gesagt als getan ist. Deshalb und zur Ausbildung von Stimme und Gesang hat F. M. Alexander ja das Verfahren des "Geflüsterten Ahs" entwickelt.

Kinder lachten bis zu 400 Mal am Tag, die Erwachsenen gerade noch 15 Mal. Dass "Kinder das Lachen in die Welt bringen" ist etwas, dass uns allen auch ohne Statistik vertraut ist. Nur braucht der Erwachsene dem Lachen keine Träne hinterherzuweinen: er hat ja das Lächeln, das, wie Alain festgestellt hat, das vollkommenere Lachen ist.

Bis bald

Dein Großvater

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