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Im Brennglas der Alexandertechnik: Wahrgenommene Kontrolle


Liebe Marie,

"alles, was unsere wahrgenommene Kontrolle steigert, tut uns gut." Dies sagt der Bochumer Psychologe Jürgen Markgraf, einer der führenden Experten auf dem Feld der klinischen Psychologie und Psychotherapie in einem Artikel in der Westfälischen Rundschau vom 29. Dezember 2020. Psychische Probleme gebe es meistens dann, wenn jemand die unrealistische Wahrnehmung hat, dass er nur eine geringe Kontrolle über seine eigene Welt hat. Unser Verhalten "werde (mehr) von kurzfristigen Konsequenzen gesteuert als von langfristigen". Selbstwirksamkeit sei in diesem Zusammenhang ein wichtiger Begriff in der Psychologie. Damit wird die Überzeugung bezeichnet, die Herausforderungen bewältigen zu können, vor denen jemand steht, wie klein oder wie groß sie auch sein mögen. Schon wenn man sich daran erinnere, ein Problem gelöst zu haben, "hat man einen geraden Rücken und geht mit einem größeren Selbstvertrauen in die Welt hinaus". Um Selbstwirksamkeit herzustellen, empfiehlt Jürgen Markgraf körperliche Bewegung, geistige Regheit und eben das Sich-Erinnern an bereits gelöste Probleme.


Das Erinnern einer Situation, in der es dem Betroffenen gelungen ist, ein wenn auch noch so kleines Problem zu lösen, hilft aber sicherlich nicht bei dem zentralen Problem einer fehlerhaften Wahrnehmung weiter. Der Betroffene sieht sich ja tatsächlich nur aufgrund seiner falschen Wahrnehmung außer Stande, die Kontrolle über seinen engen Lebensbereich zu übernehmen. Es stellt sich folglich die Frage, wie seine Wahrnehmung geschult werden kann, so dass sie wieder zu einer zuverlässigen Größe wird.


F. M. Alexander hatte in langen Selbstversuchen aufgedeckt. dass unter den gegebenen Zivilisationsverhältnissen das A und O eines Lebens in Gesundheit und Wohlergehen eine bewusste Steuerung und Kontrolle des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken ist. Derjenige, der die Primärkontrolle erlangen will - in der Alexandertechnik wird die Kontrolle über dieses Verhältnis Primärkontrolle genannt -, muss überhaupt erst einmal wahrnehmen, dass und wie er schädlich in dieses Verhältnis eingreift. Nur sind inzwischen die verschiedenen Wahrnehmungssysteme des Menschen ebenfalls mehr oder weniger beschädigt und eine kinästhetische Wahrnehmung ist sogar fast gar nicht mehr vorhanden.


Die von F. M. Alexander entwickelte Technik kann dieses Dilemma auflösen: Der Schüler wird dabei angehalten, jegliche Reaktion auf einen Reiz zu unterbinden, zu hemmen, wie es in der Sprache der Alexandertechnik heißt, um seine falschen Wahrnehmungen, die ja erst zur Störung des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken führen, nicht zum Zuge kommen zu lassen. Stattdessen führt der Alexandertechniklehrer mit seinen Händen seinen Schüler durch die jeweiligen Bewegungen. So kann der Schüler eine neue Wahrnehmung in Verbindung mit der geführten Bewegung aufbauen. Oftmalige Wiederholung dieser neuen Gefühlserlebnisse lassen die alten Empfindungen mit der Bewegung allmählich verblassen und die neue Gefühlserfahrung wird mehr und mehr zu einer Gewohnheit.


Nur ist dadurch, dass der Schüler nun die Störung des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken wahrnehmen kann, noch nicht allzu viel gewonnen. Er muss auch gleichzeitig in die Lage versetzt werden, dieses Verhältnis so zu steuern und zu kontrollieren, dass es durchgehend ungestört bleibt. Dies bewirken die zu erteilenden Steuerungsbefehle zur Primärkontrolle, die da lauten:

Lasse den Hals frei.

Kopf nach vorne und oben.

Wirbelsäule lang.

Rücken weiten.

Wenn diese Befehle beständig wiederholt werden, werden aus diesen Worten schließlich Neuronenverbindungen, die genau das bewirken, was die Worte verlangen.


Im Alten Testament heißt es, dass "der Glaube Berge versetzen kann". In der Form der Steuerungsbefehle zur Primärkontrolle wird diese Weisheit aus der Bibel zu einer Realität.


Bis bald

Dein Großvater





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