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IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Stress lass nach


Liebe Marie,

Stress sei für viele Menschen ein tagtäglicher Begleiter, der irgendwann zu einem chronischen Zustand der Erschöpfung führen werde, wenn nicht entgegengesteuert und die Energiespeicher nicht rechtzeitig wieder aufgefüllt werden. Dies sagt Prof. Eva Asselmann von der Health and Medical Universitiy in Potsdam in der Westfälischen Rundschau vom 17. April 2023. Um überhaupt gut gegensteuern zu können, sei es erst einmal wichtig, sich darüber bewusst zu werden, was im konkreten Fall den Stress auslöst, in welcher Situation der Betroffene in Stress gerät. Und es gelte herauzufinden, wie sich der Stress individell äußert. Man könne dem Teufelskreis entgehen, in dem sich der Stress immer weiter aufschaukelt, wenn man die individuellen Symptome rechtzeitig erkennt - das Herzrasen, den trockenen Mund oder auch das Schwindelgefühl.


Prof. Asselmann arbeitet bei dem von ihr entwickelten System "Easy Relax" auch mit der Methode der Progressiven Muskelentspannung, die nach dem Prinzip der Superkompensation funktioniert. Die Stresssymptome seien immer auch mit Anspannungen in verschiedenen Bereichen des Körpers verbunden. Hat man nun eine Verspannung ausgemacht, verstärkt man sie absichtlich zunächst noch, um diese zusätzliche Spannung dann wieder zu lösen und sogar darüber hinaus in Richtung weiterer Entspannung in dieser Region zu gehen. Und immer so weiter, bis schließlich auf die zusätzliche Anspannung ganz verzichtet werden kann und man "in akuten Stresssituationen im Alltag in nur wenigen Sekunden zur Entspannung (gelangt)."


Prof. Asselmann benutzt Progressive Muskelentspannung, um schnell in die Entspannung und damit in den Stressabbau zu kommen. Der Alexandertechnik-Lehrerin Deborah Caplan geht es nicht um Schnelligkeit, wenn sie auf die Methoden der Progressiven Muskelentspannung zurückgreift, ihr geht es darum, überhaupt erst einmal bewusst zu erfahren, was entspannen heißt, und darum, die so gemachten kinästhetischen Erfahrungen auf den zentralen Körperbereich zu übertragen: Auf das Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken. Sie bilden dann die Basis für die in ihrem Buch PROBLEMFELD RÜCKEN, so lautet der Titel der deutschen Erstübersetzung von "Back Trouble" (Bod, 2023), angebotenen Übungen zur Linderung und Beseitigung von Rückenleiden.


Um überhaupt erst einmal ein erstes Gefühl davon zu bekommen, was entspannen heißt, zeigt Deborah Caplan

am Beispiel der Handmuskulatur auf: "Ballen Sie eine Hand zu einer Faust! Spannen Sie dabei Ihre Handgelenks- und Fingermuskeln so stark wie nur möglich an! Wenn Sie diese Spannung allzu lange halten, wird dies Ihre Hand ermüden und sie wird vielleicht sogar ein wenig schmerzen. Verringern Sie jetzt langsam die Spannung in der Hand so weit, dass Sie nur noch eine lockere Faust machen und beobachten Sie, was sich verändert: Wie fühlt sich Ihre Hand dabei an? Können Sie fühlen, wie die Müdigkeit und der leichte Schmerz aus der Hand verschwinden? Auf dieselbe Weise ist es möglich, die Spannung in den großen Haltemuskeln zu erhöhen oder zu verringern. Allerdings eröffnet sich der Gefühlsgegensatz nicht so leicht wie in der Hand."


Es sind dann fünf "Übungen" zur Entwicklung der kinästhetischen Wahrnehmung, die sie in ihrem Buch anbietet.

Übung 1: Eine Tasse zum Mund führen: "Mit der ersten Übung können Sie jetzt sofort beginnen, noch während Sie diese Zeilen lesen: Führen Sie eine Tasse zum Mund, als ob Sie daraus trinken wollten. (Wenn gerade keine Tasse griffbereit ist, können Sie auch so tun, als ob.) Halten Sie die Tasse vor dem Mund und reduzieren Sie so weit wie möglich die Spannung in Hals, Schulter und dem gehobenen Arm, ohne dass sich die Tasse dabei bewegt. Was haben Sie wahrgenommen? Haben Sie gespürt, wie die Spannung weniger geworden ist? Wenn ja, war all die aufgegebene Spannung überflüssige Spannung. Was Sie gerade vollbracht haben, war ein Lösen, kein Erschlaffen-lassen Ihrer Muskeln, denn erschlaffte Muskeln verrichten keinerlei Arbeit mehr. Sie aber halten den Arm weiterhin angehoben am Mund und verrichten so Arbeit.

Führen Sie nun die Übung erneut durch und seien Sie besonders empfänglich für das, was Sie bei den sich ergebenden Muskelveränderungen in Ihrem Hals und in Ihrer Schulter verspüren, wenn Sie die überflüssige Muskelspannung abbauen.

Übung 2: Am Schreibtisch arbeiten: Für die Körperteile, die festgestellt werden können, wenn man am Schreibtisch arbeitet, ist die folgende Übung gedacht: Setzen Sie sich an Ihren Schreibtisch oder an einen beliebigen Tisch und schreiben Sie etwas, für das Sie sich nur wenig konzentrieren müssen – die Monatsnamen oder Ihre eigene Adresse etwa. Folgen Sie beim Schreiben der Vorstellung, die Spannung in Ihrem Halsbereich und in den Schultern zu lösen! Wenn sich dies realisiert, werden sich Ihre Schultern vielleicht leicht absenken und sie werden sich auch freier und weniger ermattet fühlen.

Wie halten Sie Ihren Bleistift, Kugelschreiber oder Füllfederhalter? Verwenden Sie dafür mehr Spannung als notwendig ist? Sie werden vielleicht herausfinden, dass Sie genauso flüssig mit etwas weniger Zugriff aus Fingern, Handgelenk und Armen schreiben können. Beachten Sie auch, wie sich Ihre Handschrift verändert, wenn Sie die Spannung in Fingern und Armen verringern! Wenn Sie jetzt weiterschreiben, machen Sie sich bewusst, ob Sie dabei Ihre Beine und Füße in irgendeiner Weise unnötig anspannen! Falls ja, lösen Sie die Spannung auf dieselbe Weise, wie Sie es bewusst mit Ihrer Hand getan haben, nachdem Sie sie zu einer Faust geballt hatten. Und setzen Sie Ihre Füße flach und so breit, wie es bequem für Sie ist, auf den Boden oder aber Sie sitzen mit überkreuzten Fußgelenken.

Die überflüssige Spannung, die Sie in Ihrem Körper während des Schreibens aufgebaut haben, kehrt ggf. augenblicklich zurück, sobald Sie an etwas anderes denken. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen! Bauen Sie einfach jedes Mal wieder neu die Spannung ab, wenn Sie sich ihrer bewusst werden. Ihr Körper wird so allmählich lernen, beim Schreiben in einem Spannungszustand zu verbleiben, der frei und immer noch freier ist.

Übung 3: Muskelspannung sich als Klangbild vorstellen: Es könnte sich als hilfreich erweisen, sich Muskelspannung als einen Klang vorzustellen: Mit der Entspannung der Muskeln wird ihr Klang dann also „leiser“ (und angespannte Muskeln sind entsprechend „lauter“). Diese Analogie ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Mit der EMG-Methode kann in der Tat die elektrische Aktivität von Muskeln auch in Klang umgewandelt werden. Wenn Sie also Ihre Muskelspannung reduzieren, stellen Sie sich von nun an vor, dass mit der Reduktion das Muskelgeräusch verklingt und Ihr Körper leiser wird.

Übung 4: „With a little help from my friends“: Wenn Sie das Loslassen einüben, können Sie auch die Hilfe eines Freundes in Anspruch nehmen. Setzen Sie sich auf einen Stuhl mit gerader Rückenlehne und rücken Sie mit den Hüften auf der Stuhlfläche bis ganz nach hinten, um sich anzulehnen, ohne dabei in sich zusammenzusinken. Lassen Sie Ihren Freund jetzt Ihren Kopf von der einen Seite zur anderen drehen. Ist Ihr Kopf leicht beweglich oder fühlt es sich für Ihren Freund so an, als ob Ihr Kopf in seiner Position verharren will? Stellen Sie sich jetzt vor, dass Sie Ihre Halsmuskeln lösen! Sie (und Ihr Freund) werden feststellen, dass mit dem bloßen Gedanken loszulassen Ihr Kopf sich nun leichter drehen lässt.

Übung 5: Spannungsprüfung der Beinmuskeln: Sie können leicht überprüfen, ob Ihre Beinmuskeln gelöst sind. Legen Sie dazu jeweils eine Hand auf die Oberseite der Oberschenkel! Bewegen Sie jetzt Ihre Hände schnell, aber sanft auf den Oberschenkelmuskeln hin und her. Je freier Ihre Beinmuskeln sind, umso mehr werden sie auf die Bewegungen der Hand reagieren."


Eigentlich sind dies keine Übungen im herkömmlichen Sinne. Anders als bei Übungen, wie wir sie normalerweise verstehen, mit denen bestimmte Bewegungsabläufe durch beständiges Wiederholen eingeschliffen werden sollen, geht es hier darum, bei der Übungsausführung immer genauere und noch genauere kinästhetische Erfahrungen zu machen. Und wenn man erst einmal in dem See neuer kinästhetische Erfahrungen treibt, kann man gar nicht genug davon bekommen, in diesem Wasser zu baden.


Bis bald

Dein Großvater


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