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IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Sprachtherapie


Liebe Marie,

"fast jeder achte Schulanfänger in Hagen erhielt im vergangenen Jahr rund um den Schulbeginn herum eine Sprachtherapie", so kann man es in der Westfälischen Rundschau vom 9. August 2023 nachlesen. Offensichtlich haben sich die Entwicklungsstörungen in der Sprache oder des Sprechens schon seit längerem auf einem hohen Niveau eingependelt. Warum aber haben sich "die in diesem Alter angemessenen sprachlichen Fähigkeiten bei Kindern so sehr verschlechtert"?


Der Gebrauch bestimmt die Funktion. Dieses Gesetz der funktionellen Anpassung hat Dr. Wilhelm Roux zum Ende des 19. Jahrhunderts formuliert und es ist bis heute nicht widerlegt worden. Es besagt, dass Muskeln, Organe, Sehnen und Bänder, die in einem Organismus nicht länger oder weniger beständig in Verwendung sind, mit der Zeit degenerieren, verkümmern, weniger funktionstüchtig werden. In Bezug auf das Sprechen heißt dies, dass die Kinder in ihrer Sprachfähigkeit deshalb zurückbleiben, weil sie zu wenig sprechen. Es ist ja inzwischen so, dass Kinder für sich allein sehr viel mehr Zeit hinter den diversen Bildschirmen verbringen und still das Gesehene in sich aufnehmen, als es vormals der Fall war; dass die gemeinsamen Sprechzeiten beim Frühstück, am Mittags- oder Abendtisch stark reduziert sind; selbst wenn es das Ritual des gemeinsamen Essens in der Familie noch gibt, ist das Handy auch am Tisch ständiger Begleiter und Störenfried - man hält sich in seinen eigenen Chaträumen auf oder surft nebenher im Internet, immer auf der Suche nach der wirklich wichtigen neuen Information, tippt mehr ein, als dass man spricht.


Unter solchen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, dass das Einüben der Sprache und des Sprechens auf der Strecke bleibt. Und auch die Sprechwerkzeuge - die Lippen, die Zähne, die Zunge, der Gaumen, der Kehlkopf mit seinen Stimmbändern - werden nicht mehr so gut ausgebildet oder degenerieren, wenn sie nicht oder nur wenig gebraucht werden. Die Alexandertechnik hat eine Übung in ihrem Programm, mit dem die Sprechwerkzeuge gut reanimiert werden können - das "Geflüsterte Ah".


Michael McCallion beschreibt in seinem "BUCH DER STIMME", wie beim "Geflüsterten Ah" vorzugehen ist:

"Die Übung „das geflüsterte Ah“ ist eine gute Vorbereitung, um die verschiedenen Funktionsweisen, die für die Stimmbildung sehr wesentlich sind, zusammenzubringen. Diese Übung hilft, den Unterkiefer zu lösen, und gewährleistet so, dass sich Mund und Kehlkopf leicht öffnen lassen. Beides ist für eine gute Resonanz absolut notwendig. Wenn der Unterkiefer gelockert ist, hilft dies zudem der Zunge, sich zu lösen. (...) Schließlich bringt diese Übung den Atem in einer Weise zum Einsatz, dass sowohl die Ein- als auch Ausatmung richtig ausgeführt werden, wobei die entsprechende Muskulatur in der richtigen Art und Weise gebraucht wird. (..) Vor der Ausführung der Übung „Das geflüsterte Ah“ gilt es, sie in fünf Stufen vorzubereiten:

1. Gehen Sie die Steuerungsbefehle (zur Primärkontrolle des natürlichen Verhältnisses zwischen Kopf, Hals und Rücken) durch und stellen Sie sicher, dass Ihr Hals wirklich frei ist! (Dies gilt für den gesamten Übungsablauf und auf jeder Stufe.)

2. Bringen Sie die Zähne behutsam in Beißposition! Die Zunge sollte leicht hinter der unteren Zahnreihe ruhen. Sie sollte nicht schmal gemacht werden, sondern sich ausbreiten dürfen.

3. Lösen Sie die Kiefergelenke und lassen Sie den Unterkiefer soweit nach vorne gleiten, bis obere und untere Zahnreihe übereinander stehen! Drücken oder schieben Sie nicht in irgendeiner Form! Die Zunge bewegt sich, flach und gelöst, mit dem Unterkiefer. Sie bleibt dabei weiterhin an der unteren Zahnreihe.

4. Lächeln Sie! Ein wirkliches Lächeln. Die Aktivierung der Gesichtsmuskeln ist hilfreich, um den Unterkiefer nicht wieder zurückzuziehen.

5. Lassen Sie den Unterkiefer los! Die Zunge berührt weiterhin, wie in Punkt 3 beschrieben, die untere Zahnreihe. Und behalten Sie Ihr Lächeln bei! Der Unterkiefer soll sich nur so weit öffnen, wie es ohne Mühe möglich ist, und ohne dass Sie irgendetwas erzwingen.

Und stellen Sie bei all dem sicher, dass Sie nicht den Atem anhalten! Jetzt, da Sie das Öffnen des Unterkiefers vorereitet haben, fahren Sie fort und bringen Sie die Übung folgendermaßen zum Abschluss:

  • Während Sie ausatmen, flüstern Sie den Vokal ‚Ah‘! (Flüstern heißt hier, dass dies vollkommen stimmlos zu geschehen hat.) Versuchen Sie nicht, ihn solange wie möglich auf diese Weise hervorzubringen! Tun Sie dies nur solange, wie Sie ganz bequem ausatmen können! Es darf sich nicht das Gefühl einstellen, dass Kehle und Brust während der Ausatmung heruntergezogen werden. Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Länge und Weite erhalten! Natürlich gehen Sie beim Öffnen des Mundes und beim Gebrauch der Zunge genau wie in der Vorbereitungsstufe vor.

  • Schließen Sie den Mund (wie in Stufe 3 der Vorbereitung) und lassen Sie den Atem durch die Nase einströmen! Ich betone es noch einmal: Lassen Sie nicht zu, dass die Rippen Sie herunterziehen, und spannen Sie die Bauchmuskeln weiterhin nicht an!

  • Gehen Sie erneut die Steuerungsbefehle durch und lassen Sie vor allem den Hals frei!

  • Und wieder von vorne."


Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz des "Geflüsterten Ahs" ist , dass der Schüler dabei nicht das natürliche Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken stört. Mit der Alexandertechnik hat er zuvor gelernt, sich so zu gebrauchen, dass dieses Verhältnis bei allem, was er tut, ungestört bleibt - auch beim Sprechen. Sobald ein solcher Gebrauch die Regel ist, steht einer stimmlichen Ausbildung durch einen Logopäden, mit einem Gesangslehrer oder auf einer Schaupielschule tatsächlich nicht mehr viel im Wege.


Bis bald

Dein Großvater


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