top of page
Empfohlene Einträge

IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Mentale Gesundheit


Liebe Marie,

zum Leben gehören die positiven wie die negativen Seiten. Entscheidend sei jedoch, dass wir "das Negative nicht einfach ausblenden, sondern genauer untersuchen, wie wir damit umgehen", damit wir wieder gestärkt aus den schlechten Phasen herauskommen, sagt die Psychologin Muriel Böttger in einem Artikel der Westfälischen Rundschau vom 19. Dezember 2022.


Das Leben hat immer schon voller Gefahren gesteckt und steckt auch weiterhin voller Gefahr. Deshalb sind wir von Natur aus darauf getrimmt, nach Gefahren Ausschau zu halten und sie auch zu erkennen. Der Pessimist sehe in allem und jedem eine Gefahr, der Optimist stehe den Gefahren vielleicht zu oberflächlich gegenüber. Es komme darauf an, an dieser Stelle eine gute Balance zwischen Optimismus und Pessimismus zu finden. Mit einem "flexiblen Optimismus" seien wir in der Lage, die Gefahren richtig einzuschätzen und danach wieder zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, so die Psychlogin weiter.


Nun sind Körper und Psyche eng miteinander verbunden. Die äußere Haltung beeinflusse die innere und umgekehrt. Deshalb solle man mehrmals am Tag einfach einmal "den Rücken durchstrecken, die Schultern hochnehmen, aufrecht gehen und sitzen", heißt es in dem Artikel. Nur ist dies einfacher gesagt, als getan. Die wenigsten von uns wissen, wie das wirklich geht, "den Rücken durchstrecken", "die Schultern hochnehmen", "aufrecht gehen" oder "aufrecht sitzen". Sie werden es so tun, wie sie es aus Gewohnheit immer schon getan haben, und werden sich dabei selbst Schaden zufügen. Deborah Caplan beschreibt in ihrem Buch "Back Trouble" (Die Übersetzung ins Deutsche wird im Frühjahr dieses Jahres unter dem Titel RÜCKENPROBLEME bei BooksonDemand erscheinen) detailliert das Verfahren der Alexandertechnik, mit dem eine Gewohnheit überlistet werden kann, so: "Sagen Sie zunächst einmal nein zu Ihrer (jeweiligen) Intention (..)! Die absichtliche Entscheidung, (ein beliebiges) Vorhaben zunächst einmal aufzugeben, wird verhindern, dass Ihre alten Gewohnheiten auf der Stelle Macht über Sie erlangen, und sie wird es Ihnen ermöglichen, eine neue Weise des Körpergebrauchs an die Stelle der alten Gewohnheit zu setzen. Geben Sie sich also stumm die Befehle zu den „Grundeinstellungen für einen guten Gebrauch“:

Lasse den Hals sich lösen, damit der Kopf sich nach vorne und oben ausrichtet!

Lasse die Muskeln des Rumpfes sich lösen damit der Kopf die Wirbelsäule in die Länge führt und der Rücken sich weitet!

Lasse die Beine sich aus dem Becken lösen!

Lasse die Schultern sich zu den Seiten hin herauslösen!

Erteilen Sie sich diese vier Befehle zu den „Grundeinstellungen für einen guten Gebrauch“ mehrmals hintereinander! Lassen Sie Ihren Körper zur Ruhe kommen, um Muskelspannungen aufzuspüren, die im Widerspruch zu diesen Befehlen stehen! Sie werden die Reaktion Ihres Körpers spüren: Mit der Zeit wird die Muskulatur freier und Ihr Körper wird sich besser ausrichten und besser ausbalancieren."


Ein Bewusstsein für die Einheit des Körpers ist für alle, nicht nur für die darstellenden Künstler, für die Deborah Caplan eigentlich ihr Buch geschrieben hat, außerordentlich wichtig. Mit den vier „Grundeinstellungen für einen guten Gebrauch“ aus der Alexandertechnik ist ein solches Bewusstsein gut zu erlangen. Der Körper, der für jeden von uns ja das Vehikel ist, mit dem wir uns ausdrücken, "kann durchaus zu einem Wirrwarr funktionell unorganisierter Teile werden, wenn nicht ein Weg gefunden wird, das gesamte Selbst so zu organisieren, dass es als eine Einheit funktioniert. Nehmen wir das Beispiel eines Pianisten. Seine Finger können nur dann die Kraft und die Geschicklichkeit entwickeln, die nötig sind, um der Musik, die er in sich hört, Ausdruck zu verleihen, wenn seine Handgelenke und Arme frei sind. Aber seine Handgelenke und Arme sind nur dann frei, wenn seine Schultern richtig ausbalanciert sind. Und ausbalancierte Schultern sind nur dort zu finden, wo ein Torso seine volle Länge hat und geweitet ist. Dies wiederum verlangt, dass der Kopf in der richtigen Weise ausbalanciert ist und die Hüftgelenke gelöst sind. Erst das integrierte Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken lässt es zu, dass seine Finger von der Kraft der großen Rückenmuskeln profitieren und verschafft ihnen die Freiheit, die nötig ist, um ihre Arbeit auf hohem und höchstem Niveau zu erledigen." Und was für einen Pianisten gilt, hat auch Gültigkeit für uns alle, die wir tagtäglich unsere Finger für dieses oder jenes gebrauchen. Ohne unsere Finger ständen wir den Herausforderungen des Lebens nämlich ziemlich hilflos gegenüber.


Deborah Caplan richtet die in diesem Text zitierten Sätze zur Probenarbeit und zur Darstellung auf der Bühne erst einmal an die darstellenden Künstler selbst. Aber ist es nicht so, liebe Marie, dass wir alles, was wir tun, erst einmal zur Probe tun und dass wir unser Tun beständig vervollkommnen müssen? Unter diesem Gesichtspunkt wird der Aussage Joseph Beuys' "jeder Mensch ist ein Künstler", eine weitere Dimension hinzugefügt. Ja, jeder von uns ist ein Künstler, solange er sich in seinem Tun beständig weiterentwickelt, indem er sein bisheriges Tun "genauer untersucht": Die Kriterien für eine solche Untersuchung sind tatsächlich die Grundeinstellungen für einen guten Gebrauch.


Ein "Nein" könnte man als ein "pessimistisches" Zeichen werten. In diesem Falle ist in der Konsequenz folgendes festzuhalten: Für eine "positive" Veränderung ist das pessimistische Nein unbedingte Voraussetzung! Das Nein ist das SINE QUA NON der Veränderung!


Bis bald

Dein Großvater


Aktuelle Einträge
Archiv
Schlagwörter
Folgen Sie uns!
  • Facebook Basic Square
  • Twitter Basic Square
  • Google+ Basic Square
bottom of page