top of page
Empfohlene Einträge

Im Brennglas der Alexandertechnik: Gebrauch


Liebe Marie,

schon im ersten Semester meines Studiums habe ich das 1. Roux' sche Gesetz "Der Gebrauch bestimmt die Funktion" kennengelernt. Diesen Wortlaut hatte Prof. Stöcker in einer Sportvorlesung verwendet.


Dr. Wilhelm Roux, Zeitgenosse F. M. Alexanders, hatte diesen Sachverhalt als 'physiologisches Gesetz der funktionellen Anpassung' so formuliert: "Die spezifische Leistungsfähigkeit der Organe wird (innerhalb gewisser Grenzen) durch ihre verstärkte Tätigkeit erhöht." (Wilhelm Roux, Der Kampf der Teile im Organismus, Leipzig, 1881) Und Nichtgebrauch der Organe führe zu ihrer Rückbildung. Roux hatte sich dabei u. a. auf Lamarck (1744 / 1829, Biologe) und seinem Prinzip von der Wirkung des Gebrauchs und des Nichtgebrauchs bezogen. Ein vermehrter Gebrauch vergrössere nicht nur den Muskel selbst, sondern führe auch zu einer entsprechenden Anpassung in Bezug auf "die Blutgefäße, Nerven, Bänder, Knochenleisten, an denen die Bänder befestigt sind, ganzen Knochen und anderen damit verbundenen Knochen." (ebenda S. 10) "Alles, was wir körperlich und geistig lernen, ist Produkt der funktionellen Anpassung. Ohne dieselbe würden wir in keiner Beziehung etwas lernen können." (ebenda S.23)


Roux und Lamarck haben sich mehr mit der Quantität des Gebrauchs beschaftigt. F. M. Alexander hat aus Eigeninteresse die Qualität von Gebrauch ins Visier genommen. Worin dieses Eigeninteresse lag, hat Alexander selbst in "Der Gebrauch des Selbst" ausführlich dargestellt. Nicholaas Tinbergen hat in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Nobelpreises an ihn die Situation, in der sich Alexander befunden hatte, so geschildert:

"Alexander, 1869 in Tasmanien geboren, war in seinen jungen Jahren ein Rezitator sowohl humoriger als auch dramatischer Stücke. Sehr bald jedoch entwickelte er so schwere stimmliche Probleme, dass er nahe daran war, seine Stimme vollständig zu verlieren. Kein Arzt konnte ihm helfen. Also nahm er die Dinge selbst in die Hand. Er fing an, sich vor dem Spiegel zu beobachten. So bemerkte er, dass seine Stimme dann am schlimmsten in Mitleidenschaft gezogen wurde, wenn er Positionen einnahm, die sich für ihn beim Rezitieren als geeignet und 'richtig' anfühlten. Ohne Hilfe von außen arbeitete er in etlichen qualvollen Jahren heraus, wie das zu verbessern ist, was heute 'Gebrauch' genannt wird, wenn davon die Rede ist, die Körpermuskulatur bei allen Bewegungen und in allen Positionen einzusetzen. Zudem stellte sich als ein bemerkenswertes Ergebnis heraus, dass er auch die Kontrolle über seine Stimme wiedererlangt hatte. Diese Geschichte über Wahrnehmungsvermögen, Intelligenz und Durchhaltevermögen mit einem Mann in der Hauptrolle, der keinerlei medizinische Ausbildung genossen hatte, ist eines der wahren Epen medizinischer Forschung und Praxis."


"Die Menschheit hat sich niemals einem größeren Problem stellen müssen, als es die Fehlsteuerung des Gebrauchs seines Organismus ist." Dies schreibt F. M. Alexander in seinem wohl bekanntesten Buch "Der Gebrauch des Selbst", der deutschen Neuübersetzung von THE USE OF THE SELF, BooksonDemand, 2021). Und weiter schreibt er dort: "Wir haben ja bereits gesehen, dass die Natur der menschlichen Reaktion auf einen Stimulus allgemein der Art und Weise des Gebrauchs seiner Mechanismen entspricht. Weil aber ein Gebrauch ohne eine zuverlässige sinnliche Steuerung dieses Gebrauchs nicht zufriedenstellend sein kann, müssen die Reaktionen auf einen Stimulus in dem Maße unbefriedigend sein, in dem die sinnliche Wahrnehmung unzuverlässig ist." F. M. Alexander hat sich in seiner langjährigen Praxis davon überzeugen müssen, "dass in der heutigen Zeit die meisten Menschen mehr oder weniger auf Hilfe angewiesen sind, wenn sie ein höheres Niveau sinnlicher Wahrnehmung erlangen wollen, um wahrzunehmen, wie sie sich tatsächlich gebrauchen. Ein solches höheres Niveau würde zu einer Reaktionskontrolle führen, die zufriedenstellender wäre als die bisherige." Und mit einer Bewusstheit für die sinnliche Wahrnehmung kämen die Schüler zudem "in den Besitz eines Kriteriums, das ihnen selbst anzeigt, ob der Gebrauch, den sie verwenden, für den gegebenen Zweck richtig oder falsch ist, und das sie in die Lage versetzt, dies bei der Ausführung der verschiedenen Aktivitäten auch zu beurteilen."


Die Fehlsteuerung des Gebrauchs sei das größte Problem, dem sich die Menschheit derzeit zu stellen habe. Dies hat F. M.Alexander vor ungefähr achzig Jahren in "Der Gebrauch des Selbst" geschrieben. Und daran hat sich auch bis heute trotz der pandemischen Coronalage nichts geändert. Sars-CoV-2 und seine Mutationen konnten nur deshalb zu einem Problem dieses Ausmaßes werden, weil bisher nur sehr wenige Menschen das Problem der Fehlsteuerung des eigenen Gebrauchs mit Hilfe der Alexandertechnik und der damit verbundenen Mittel der bewussten Steuerung und Kontrolle, der Hemmung und der Primärkontrolle des natürlichen Verhältnisses zwischen Kopf, Hals und Rücken für sich gelöst haben: Für jemanden, der beim Gebrauch seines Organismus dieses natürliche Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken nicht stört, stellt es nämlich kein allzu großes Problem dar, dieses oder irgendein anderes Virus in den eigenen Organismus einzubauen.


Bis bald

Dein Großvater


Aktuelle Einträge
Archiv
Schlagwörter
Folgen Sie uns!
  • Facebook Basic Square
  • Twitter Basic Square
  • Google+ Basic Square
bottom of page