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IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: "Die menschliche Bewegung" (Dore Jacobs)


Liebe Marie,

"in jedem Lehrbuch der Körperkunde kann man lesen, dass Bewegung anregend auf die inneren Lebensvorgänge wirkt, dass sie den Atem vertieft, den Blutumlauf beschleunigt, den ganzen Organismus fördert. Sieht man sich aber mit offenen Augen die Bewegungen an, kommen einem Bedenken: Rote Köpfe, geblähte Halsadern, starre blasse Gesichter, pfeifender Atem, hochgezogene Schultern beim Einatmen, schlaff zusammensinkender Brustkorb beim Ausatmen, eingezogene Körpermitte, - all das macht wahrlich nicht den Eindruck erhöhten Lebens." (..) Man fragt sich: Sieht so die günstige Wirkung von Bewegung aus?" Dies schreibt Dore Jacobs in ihrem grundlegenden Werk "Die menschliche Bewegung" (Kallmeyer Verlag, 1985)


Dort findet sich auch ein Hinweis darauf, was es ausmacht, wenn eine Bewegung innerlich belebt ist:"Tiefer, geräuschloser Atem, lange Ausatmung, volle ruhige Brust, gelöst hängender Schultergürtel, gelöstes, unverzerrtes Gesicht in der Bewegung und nach der Leistung, weiche Muskelspannung, müheloser, eher spielender Ausdruck der Bewegung." Und im Zusammenhang mit Mitbewegungen zählt sie noch weitere Handlungsmuster auf, die schädlich sind, wenn sie nicht Ausdruck innneren Erlebens sind: "Verzerrungen des Gesichts bei Muskelanstrengung und bei Feinarbeit, wie das Zusammenpressen der Kiefer, das Zukneifen oder Aufreißen der Augen, das Verspannen der Schlundmuskeln und der Zunge, das Einkneifen der Lippen, das Nachinnenziehen oder Blähen des Halses, aber auch alle überflüssigen Spannungen an Rumpf und Gliedern (sogenannte Verkrampfungen)." Bewegung an sich könne fördern, könne aber auch die inneren Lebensvorgänge stören.

Die beiden Fotos sind Dore Jakobs Buch entnommen und zeigen den argentinischen Olympiasieger im Marathonlauf der Spiele von 1932 Zabala und den mexikanischen Scnelllaufsieger über 265 km Aurelio kurz nach ihren Siegen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht: Zabala ausgepumpt, dem Zusammenbruch nahe, "Aurelio steht ungebrochen, spannkäftig, ruhend und gesammelt aufrecht", wie es Dore Jacobs in der Bilderunterschrift beschreibt. Ob das eine oder das andere sich einstelle, "hängt im Wesentlichen vom Wie der Bewegung ab, vom leiblichen Ablauf wie von der seelischen Einstellung. Sammlung und Ruhe wecken Leben, Hast und Zerstreutheit stören es."


Wie eine Bewegung aussieht, die nicht von innerem Leben erfüllt ist, und wie eine lebendige Bewegung auszusehen hat, hat Dore Jacobs oben aufgezeigt. Was aber ist Voraussetzung, damit eine Bewegung mit innerem Leben erfüllt wird? Diese Frage beantwortet F. M. Alexander in "Die Konstante im Fluss des Lebens" (BooksonDemand, 2019), der Neuübersetzung ins Deutsche von THE UNIVERSAL CONSANT IN LIVING: Er konnte nachweisen, dass der Organismus als eine Einheit funktioniert und dass es "einen Kontrollmechanismus bei dieser Arbeitsweise des Organismus gibt, der - je nachdem ob er benutzt wird oder nicht - die einzelnen Funktionen zum Guten oder zum Schlechten hin beeinflusst." Und diesen Kontrollmechanismus hat er Primärkontrolle genannt.


Wenn bei den Aktivitäten des Menschen das natürliche Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken - über dieses Verhältnis wacht die Primärkontrolle - ungestört bleibt, entwickeln sich die Mechanismen und Funktionen im menschlichen Organismus insgesamt zum Guten; wird dieses Verhältnis aber gestört - unterbewusst oder bewusst -, entwickeln sich die Dinge in die falsche Richtung. Und jemand, der erst einmal in seiner Bewegung gestört sei, finde nicht von selbst in die richtige Spur zurück, schreibt Dore Jakobs in ihrem bahnbrechenden Werk. Und weiter stellt sie fest: "Weil uns der Instinkt verloren gegangen ist, finden wir keine Schätze mehr aus Versehen; wir müssen sie mühsam ausgraben".


Nach der "Vertreibung aus dem Paradies", wie die Bibel den Sachverhalt umschreibt, dass mit instinktivem, also unterbewusstem Handeln die Dinge, die aus dem Ruder gelaufen sind, nicht wieder in Ordnung gebracht werden können, bereitet es also einige Mühe, das natürliche Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken im wahrsten Sinne des Ausdrucks wieder 'auf die Reihe' zu bekommen. Aber sind unser Wohlergehen und unsere Gesundheit nicht jede Mühe wert?


Alexandertechnik ist eine Anleitung für Gesundheit und Wohlergehen. Mit ihr lernt der Schüler, seine bisherigen falschen Körper- und Verhaltensgewohnheiten zu unterbinden - zu hemmen, wie der Fachausdruck in der Sprache der Alexandertechnik lautet. Mit zunehmenden kinästhetischen Erfahrungen, vemittelt über die geschickten Hände eines Alexandertechnik-Lehrers, lernt der Schüler mit der Zeit, die Steuerungsbefehle für die Primärkontrolle in die tägliche Praxis umzusetzen. Und er lernt, nicht sofort auf sein Ziel loszustürmen, sondern zuerst die Mittel-und-Wege sorgsam zu bedenken, auf denen er sein Ziel erreichen kann, ohne dass der eigene Organismus insgesamt zu Schaden kommt.


Ja, es kostet zunächst einige Mühe, auf diese Weise alte, liebgewonnene, aber schädliche Gewohnheiten abzulegen, aber nach einiger Zeit wird die bewusste Steuerung und Kontrolle über das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken in Fleisch und Blut übergegangen und so vertraut sein, wie es das tägliche Zähneputzen abends und morgens ist.


Bis bald

Dein Großvater








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