top of page
Empfohlene Einträge

IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Die Innervation von Bewegung



Liebe Marie,

"Bewegung wird innerviert über den 'Reflexbogen Reiz - Sinnesorgan - sensible Faser - Zentralorgan - motorische Faser - Erfolgsorgan. Der Effekt, die äußere Bewegung, hängt von der Feinheit und Genauigkeit der sensiblen Nachrichten ab. Für die Koordination der Bewegungen sind nämlich, wie schon Mach entdeckt hat, die sensiblen Meldungen von der Peripherie zum Zentrum ebenso unentbehrlich wie die motorische Leitung vom Zentrum zur Peripherie. Es handelt sich dabei um zwei Arten von sensiblen Meldungen: Um die Meldung der Außenweltreize, die von den Sinnesorganen des Kopfes Auge, Ohr, Nase, Zunge, und von denen der Haut, den Tast-, Druck-, Schmerz-, Wärme- und Kältekörperchen, - aufgenommen werden, und um Meldungen von den Sinnesorganen der Muskeln und des sie umgebenden Bindegewebes, die die Nachrichten vom Grade der Muskelspannung und von der Stellung der Gleider aufnehmen und durch sensible Nervenfasern zum zentralen Austauschorgan weiterleiten." Dies schreibt Dore Jakobs in ihrem grundlegenden Werk 'Die menschliche Bewegung' (Kallmeyer Verlag, 1985).


Die generelle Schwächung aller menschlicher Sinne, angefangen vom Sehen über das Hören bis hin zu dem kinästhetischen System, mit dem die Lage der verschiedenen Teile im menschlichen Organismus zueinander wahrgenommen werden kann, hat im Laufe der Entwicklung unter den Zivilisationsverhältnissen mehr und mehr zugenommen und nimmt weiter zu. Schon länger tritt diese Schwächung am Beispiel des Sehens offen zutage: Die Brille ist heute aus unserem Straßenbild nicht mehr wegzudenken. Menschen ohne Brille sind inzwischen in der Minderheit. Und die Sehhilfe wird mittlerweile schon vermehrt bei Kindern und Jugendlichen zu einer Notwendigkeit.


Wenn sich zeigt, dass ein Sinn nicht mehr zuverlässig arbeitet, muss man davon ausgehen, dass auch alle anderen Sinne in Mitleidenschaft gezogen sind. Diese Erkenntnis F. M: Alexanders wird u. a. auch dadurch bestätigt, dass nach dem Auge jetzt das Ohr manchem große Probleme bereitet. Und nicht anders verhält es sich mit dem Riechen, Schmecken und vor allem mit der kinäthetischen Wahrnehmungsfähigkeit. Viele Menschen geben inzwischen ein Bild des Jammers in Bezug auf ihren Körpergebrauch beim Stehen, Gehen, Sitzen und Liegen ab.


"Eine verlässliche sinnliche Wahrnehmung ist von einem richtigen Verständnis nicht zu trennen" und der Zustand einer unzuverlässigen sinnlichen Wahrnehmung sei unweigerlich mit fehlerhaften Erfahrungen, mit Fehlurteilen und falschem Denken verbunden. Dies schreibt F. M. Alexander in "Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen" (BooksonDemand, 2018), der Neuübersetzung ins Deutsche von CONSTRUCTIVE CONSCIOUS CONTROL OF THE INDIVIDUAL. Nur könne "eine zuverlässige sinnliche Wahrnehmung nicht auf Rezept verordnet, als dringender Appell eingefordert oder in einem Massenspektakel vermittelt werden. Sie kann allein durch individuellen Unterricht und Arbeit des Einzelnen aufgebaut werden. (..) Sie sei im Unterricht durch einen Lehrer der Alexandertechnik bewusst zu entwickeln und muss ganz individuell auf den Schüler zugeschnitten sein und dabei ist das Folgende zu beachten: "Bei den geistig-körperlichen Prozessen eines Schülers gibt es eine fast schon alarmierende Dominanz fehlerhafter sinnlicher Wahrnehmung, wenn dieser Schüler einen Versuch unternimmt, eine geistig-körperliche Handlung auszuführen. Die Anerkennung dieses Sachverhalts ist eine Grundforderung, die insbesondere an den Lehrer zu stellen ist. (..) Es muss ihm auch gelingen, seinem Schüler die Augen für diese Tatsache zu öffnen, um dann während der Unterrichtsprozesse bei ihm die neue und zuverlässige sinnliche Wahrnehmung aufzubauen und zu entwickeln, die an der Ausführung der praktischen Arbeit beteiligt ist. Von dieser neuen Wahrnehmung hängt nämlich ein zufriedenstellendes Koordinationsniveau ab.


Um das zu erreichen, geht der Lehrer folgendermaßen vor: Er stellt zunächst seine Diagnosen über die Ursache oder die Ursachen der Mängel und Defekte, die der Schüler bei seinem falschen Gebrauch entwickelt hat. Durch den geschickten Einsatz seiner Hände vermittelt der Lehrer ihm die neuen Sinneserfahrungen, die notwendig sind, um die jeweiligen Mechanismen auf zufriedenstellende Weise benutzen zu können. Er gibt ihm gleichzeitig die richtigen Steuerungsbefehle oder Anweisungen an die Hand. Und diese Steuerungsbefehle sollen die neuen Sinneserfahrungen, die der Lehrer durch seine Manipulationen zu entwickeln sucht, genau spiegeln. Eine solche Vorgehensweise stellt die Mittel-und-Wege bereit, mit denen es einem Lehrer ermöglicht wird, die fehlgeleiteten Aktivitäten, die die Ursache für die geistig-körperlichen Probleme des Schülers sind, durch Hemmung zu verhindern.


Und der Prozess der Hemmung muss bei dieser Arbeit die allererste Stelle einnehmen. Er muss auch der alles bestimmende Faktor bei jeder weiteren neuen Erfahrung bleiben, die es zu machen gilt und die bei dem Aufbau und bei der Weiterentwicklung einer zuverlässigen sinnlichen Wahrnehmung zu einer festen Größe werden muss. Denn von einer zuverlässigen sinnlichen Wahrnehmung hängt ein befriedigendes Koordinationsniveau ab. Unter der Maßgabe, die fehlgeleiteten Aktivitäten von vornherein zu verhindern, erklärt der Lehrer dem Schüler gleich zu Beginn eindringlich, dass sein Anteil an diesem Verfahren ein völlig anderer ist als der, den man einem Schüler üblicherweise bei anderen Lehrmethoden zuweist: Er darf nämlich keinen Versuch unternehmen, die erhaltenen Anweisungen oder Steuerungsbefehle auszuführen. Und mehr noch, er muss Befehl für Befehl sein Verlangen unterdrücken, die Befehle, die ihm erteilt worden sind, in die Tat umzusetzen. Stattdessen erteilt er sich selbständig die an die Hand gegebenen Steuerungsbefehle weiter und gleichzeitig wird der Lehrer durch geschickte Manipulation die erforderlichen Justierungen vornehmen und die notwendigen Koordinationsverhältnisse herstellen, indem er seinen Schüler durch die dazugehörige Bewegung oder die jeweiligen Bewegungen führt. So vermittelt er ihm die neue, jetzt aber zuverlässige sinnliche Wahrnehmung und er gibt ihm die bestmögliche Gelegenheit, die einzelnen Steuerungsbefehle einen nach dem anderen miteinander zu verknüpfen, bevor der Schüler selbst versucht, sie in die Praxis umzusetzen. Diese Verknüpfung der Steuerungsbefehle ist überaus wichtig, denn spiegelbildlich werden auch die Teile des Organismus hintereinandergeschaltet, die das ausmachen, was wir Koordination nennen. Die Zielsetzung einer Umschulung auf einer allgemeinen Basis und für jede Gelegenheit ist es nicht, eine Reihe von richtigen Stellungen oder Haltungen herbeizuführen. Vielmehr ist es das Ziel, ganz allgemein einen koordinierten Gebrauch der Mechanismen zu ermöglichen.

MIt den Information, die Dir nun zur Verfügung stehen, ist es Dir, liebe Marie, jetzt ein Leichtes zu beurteilen, ob ein On-Line-Teaching besser als gar nichts oder ob gar nichts besser als eine Videoschaltung zwischen Lehrer und Schüler ist.


Bis bald

Dein Großvater


Aktuelle Einträge
Archiv
Schlagwörter
Folgen Sie uns!
  • Facebook Basic Square
  • Twitter Basic Square
  • Google+ Basic Square
bottom of page