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IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Der Daumen


Liebe Marie,

"der Daumen ist der einzige Finger der Hand, der rotieren oder kreisen kann. Zu seinen Besonderheiten zählt außerdem, dass alle seine Bewegungen unabhängig von denen jedes anderen Fingers stattfinden können. Einhelligkeit herrscht darüber, dass er seine Sonderstellung der Kombination aus Kraft, Unabhängigkeit und Vielseitigkeit verdankt." Dies schreibt Frank R. Wilson in seinem Buch "Die Hand - Geniestreich der Evolution" Der menschliche Daumen habe im Laufe der Evolution die Fähigkeit erworben, sich den Fingern gegenüberzustellen und die anderen Finger zu berühren. Diese komplexe Bewegung, in der Daumen und Finger in Oppostion zueinander gelangen, wird möglich, "wenn Beugung und Anteposition (des Daumens) mit der Streckung des Handgelenks verbunden werden." Ohne die Streckung des Handgelenks sei eine Oppositionsstellung des Daumens schlichtweg nicht möglich.

(Die Pfeile E und F beschreiben die Beugung und Streckung der Daumensäule; die Pfeile A und R zeigen Abbduktion und Adduktion des Daumens; die Oppositionsstellung des Daumens, die die verschiedenen Griffe des Menschen erst ermöglicht hat, ist eine Kombination aus Beugung, Adduktion und Streckung des Handgelenks. Vgl. dazu: Frank A. Wilson, Die Hand - Geniestreich der Evolution)


Abgesehen davon, dass in einem Organismus von Natur aus alles mit allem zusammenhängt, spielt das Zusammenwirken von Daumen und Handgelenk beim Menschen eine zusätzliche, nicht zu unterschätzende Rolle: Auf diese Weise wird die Primärkontrolle des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken unterstützt, so dass der Hals noch freier wird, der Kopf jetzt deutlich nach oben gehen, die Wirbelsäule noch länger und der Rücken noch weiter werden kann. Diesem Umstand trägt ein Verfahren in der Alexandertechnik Rechnung, das "Hände am Rücken des Stuhles" genannt wird. Unter besonderer Berücksichtigung seiner Primärkontrolle gelangt der Schüler aus dem Stehen zum Sitzen: "Der Schüler wird nun aufgefordert, sich auf einen Stuhl zu setzen. (....) Wenn er dann auf dem Stuhl sitzt, wird sein Körper von der Rückenlehne des Stuhles gestützt. Ein zweiter Stuhl wird so vor ihn hingestellt, dass die Rückenlehne dem Schüler zugewandt ist." Der Lehrer ergreift dann den rechten Arm des Schülers und bewegt ihn soweit nach vorne, bis sich die Schülerhand oberhalb der Stuhlrückenlehne befindet. An dieser Stelle wird der Schüler erneut aufgefordert, die Befehle zur Primärkontrolle zu wiederholen (Lass den Hals frei / Kopf nach vorne und oben / Wirbelsäule lang /Rücken weiten). Es ergeht die Aufforderung an ihn, das Gewicht des Armes vollständig selbst zu übernehmen. Gleichzeitig löst der Lehrer seine Hände von dem bisher gestützten Arm. "Wenn der Schüler sich nun anschickt, das Gewicht des Armes selbst zu übernehmen, muss mit großer Sorgfalt darauf geachtet werden, dass der Schüler an dieser Stelle den Mechanismus des Torsos noch nicht gestört hat. (.......) Im nächsten Schritt kann er dann dazu aufgefordert werden, die oberste Sprosse des Stuhlrückens zu ergreifen, behutsam aber doch bestimmt. Die Finger sollten so gerade und so flach wie möglich gegen die Vorderseite der Stuhllehne gehalten werden. Und auch der Daumen, der Aufgaben auf der Rückseite der Stuhllehne zu erledigen hat, verbleibt so gerade wie nur eben möglich. Das Handgelenk wird leicht nach innen gedreht. (.......) Der Schüler ist dann in Bezug auf seine Handgelenke aufgefordert, "es dem Handgelenk des linken Armes zu erlauben, sich nach innen rechts zu drehen, und das Handgelenk des rechten Armes soll sich nach innen links drehen dürfen." Und für die Ellenbogen gilt: "Der Schüler soll es dem Ellenbogen des linken Armes erlauben, sich zur linken Seite außen zu drehen und der Ellenbogen des rechten Armes soll sich zur rechten Seite nach außen drehen dürfen. Um zu bewirken, dass der Schüler die Stuhlrückenlehne tatsächlich so umfasst, dass Finger und Handgelenke in den Positionen verbleiben, die oben beschrieben worden sind, sollte der Schüler alle Befehle zur Ausrichtung memorieren, die ihm bisher erteilt worden sind (...).Das Anliegen des Lehrers ist es dann, dem Schüler die notwendigen Erfahrungen für einen sanften Unterarmzug von den Fingern aus zu vermitteln. Um dies zu erreichen, ergreift er die Ellenbogen des Schülers und richtet sie nach außen und leicht nach unten. In der Folge werden dem Schüler so die erforderlichen sensorischen Erfahrungen übermittelt. Dies erreicht der Lehrer, indem er die oberen Teile der Arme, die Teile also, die sich oberhalb der Ellenbogen befinden, so dirigiert, dass sie sich voneinander entfernen. Der rechte Arm wird folglich nach rechts und der linke Arm nach links bewegt. Und dies geschieht auf eine Weise, dass die Arme des Schülers eine Stütze für den Torso sind." So detailliert beschreibt F. M. Alexander das Verfahren 'Hände am Stuhlrücken' in "Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen" (BooksonDemand, 2018), der Neuübersetzung ins Deutsche von CONSTRUCTIVE CONSCIOUS CONTROL OF THE INDIVIDUAL.


F. M. Alexander hat oben geschrieben, dass der Daumen auf der Rückseite der Stuhllehne Aufgaben zu übernehmen hat: Genau wie die Finger an der Vorderseite des Stuhles wird der Daumen in seiner vollen Länge ausgefahren und hilft, den Oberkörper weg vom Stuhlrücken zu schieben und ihn so aufzurichten. Dies ist eine sanfte Bewegung, die durch die gestreckten, nach innen geführten Handgelenke und die nach außen geführten Ellenbogen bis in den Schultergürtel läuft. Die Schultern öffnen sich in die Breite, was in letzter Konsequenz das bewirkt, was "ein normaler Beobachter als eine 'Weitung des Rückens' beschreiben würde." (ebenda)


Wir müssen uns allerdings dabei darüber im Klaren sein, "dass es im Körper eine Teilung oder Trennung der Funktionen nicht gibt. Das muskulo-skeletale System arbeitet ganzheitlich und fließend. Tatsächlich sind Schulter- Arm- und Handfunktionen in neuromuskulörer und biomechanischer Hinsicht vollkommen aufeinander abgestimmt. Die Bewegungs- und Informationsprozesse verlaufen gleichzeitig nach außen, also vom Körper zur Hand, und nach innen, von der Hand zum Körper." Dies schreibt Frank A. Wilson in seinem Buch "Die Hand - Geniestreich der Evolution". Weiter heißt es dort: "Die Muskeln, die das Schulterblatt bewegen, und diejenigen, die vom Schulterblatt zum Oberarmbein und Ellbogen verlaufen, richten Schulter und Oberarm schon vor der Bewegung (der Hand) aus. Praktisch antizipieren und unterstützen die Schulterbewegungen immer die Handbewegungen."


So detailliert F. M. Alexander das Verfahren 'Hände am Stuhlrücken' auch beschreibt, muss uns doch immer bewusst sein, dass 1000 Worte nicht beschreiben können, was letzlich gefühlt und sinnlich wahrgenommen werden muss. Wenn es darum geht, nur mit minimaler Muskelspannung die Unterarme nach außen zu ziehen und die Oberarme sich in der Breite öffnen zu lassen, dabei die Finger gerade zu halten und die Handgelenke einwärts zu drehen, sind die sinnlichen Wahrnehmungssysteme des Einzelnen gefragt, die inzwischen unter den gegenwärtigen Zivilisationsbedingungen allerdings oftmals überfordert sind. Wenn der Schüler nicht wahrnimmt, dass er seine Finger beugt oder sogar abspreizt und die Handgelenke nach außen anstatt nach innen führt, wie es F. M. Alexander wohl immer wieder bei seinen Schülern festgestellt hat, ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass die Wahrnehmungssysteme des Menschen nicht mehr zuverlässig arbeiten.


Die Wahrnehmungssysteme wieder zuverlässig zu machen, ist in der Tat die zweite große Aufgabe, die mit dem Verfahren "Hände am Stuhlrücken' geleistet werden kann.


Bis bald

DeinGroßvater


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