top of page
Empfohlene Einträge

Im Brennglas der Alexandertechnik: Denken und die Struktur unseres Gehirns


Liebe Marie,

die Gedanken, die wir haben, veränderten die Struktur unseres Gehirns, dies sagt der Neurobiologe Markus Täuber in einem Interview in der Westfälischen Rundschau vom 26. Mai 2021. Das Gehirn bilde ein Leben lang neue Nervenzellen und wir legten mit unseren Gedanken neue Nervennetze an und bauten damit physische Struktur auf, die Graue Substanz. Das Gehirn entwickele sich genau für den Bereich, für den es gebraucht wird: Der Golfer bilde ein Golfergehirn aus, der Musiker ein Musikergehirn usw. Wolle man sein Denken gezielt in die eine oder andere Richtung verändern, müssten in einem ersten Schritt die Gedanken erst einmal wahrgenommen werden, um sie dann bewusst in die gewünschte Richtung umlenken zu können. (Dies sei nicht so schwierig. Es sei wie das Lesen: Ein wenig Übung reiche schon aus.)


"Die Gedanken sind frei", heißt es in einem deutschen Liedtext. Aber sind sie wirklich so frei? Wenn wir dem Neurobiologen Markus Täuber Glauben schenken, prägen unsere Tätigkeiten sie offensichtlich sehr stark. Und auch unsere Denkgewohnheiten können wir wohl nicht so einfach ablegen: "Ein Patient (...) hat oft große Schwierigkeiten, auch nur eine winzige Gewohnheit des Denkens zu verändern, obwohl er davon überzeugt ist, dass es wichtig ist, sie zu verändern." Dies schreibt F. M. Alexander in "Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert" (BooksonDemand, 2018), der Neuübersetzung ins Deutsche von MAN'S SUPREME INHERITANCE. Unterbewusste Prozesse beschränkten den Gebrauch der bewussten Denkzentren und entzögen die Denkgewohnheiten so einer Kontrolle durch den Verstand. Ein Mensch könne vielleicht tun, was ihm aufgetragen worden ist, er könne aber nicht denken, was man ihm angeraten habe, heißt es dort weiter. "Es ist ein riesiges Glück für uns, dass es nicht eine Denkgewohnheit mit der dazugehörenden Körpergewohnheit gibt, die nicht geändert werden könnte. Dazu bedarf es einzig und allein dieses: Den Menschen sind die Prinzipien zu vermitteln, die die richtige Körperbalance betreffen. Ich habe dafür den Ausdruck Prinzipien für den mechanischen Vorteil gewählt. Wenn dieser mechanische Vorteil zur Herstellung der Körperbalance in Zusammenarbeit mit der Energie zur Hemmung und den Willenskräften des Verstandes benutzt wird, können die problematischen Denkgewohnheiten auf die Ebene einer bewussten Kontrolle gehoben werden. Aus falschen Denk- und Körpergewohnheiten entstehen nämlich allgemeine Schwäche, Krankheit und vorzeitiger Tod. Die falschen Posen und Körperhaltungen, die falschen schwerfälligen Atemgewohnheiten sind die Ursachen für sehr viele unserer Probleme, da sie sehr oft negative Auswirkungen auf Herz und Lunge haben. Das Muskelsystem degeneriert. Viele der lebenswichtigen Organe verlieren teilweise ihre Funktionstüchtigkeit. Eine krankhafte Fettleibigkeit zerstört das Erscheinungsbild des Kranken in einer Weise, dass es nicht länger dem eines normalen Menschen entspricht. Wenn aber die erste behindernde Denkgewohnheit erst einmal aus dem Weg geräumt ist, die zwischen uns und einer bewussten Kontrolle steht, kann es gelingen, falsche Denk-und Körpergewohnheiten in richtige und nützliche zu verwandeln."


Wie also kann "die erste behindernde Denkgewohnheit" aus dem Weg geräumt werden? - Da sich diese Gewohnheit des Denkens, wie immer sie auch aussehen mag, einer bewussten Kontrolle entzieht, bedient sich die Alexandertechnik eines Tricks, wenn sie indirekt vorgeht und nicht auf direktem Wege eine Veränderung herbeiführen will: Im Fokus der Aufmerksamkeit steht an erster Stelle die mechanische Körpergewohnheit, die unmittelbar mit der falschen, zu überwindenden Denkgewohnheit verbunden ist: Das gestörte Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken.


Um hier Abhilfe schaffen zu können, ist es zunächst erforderlich, dass der Betroffene seine alten mechanischen Körpergewohnheiten hemmt, die dieses Verhältnis bisher auf schädliche Weise gestört haben. Durch die Hemmung der unmittelbaren Reaktion auf einen Impuls kann 'die erste behindernde Denkgewohnheit' nämlich gar nicht erst zum Zuge kommen: Der Wunsch nämlich, auf direktem Wege und sofort ein Ziel erreichen zu wollen, ohne die geeigneten Mittel-und-Wege zu bedenken. Bei dem Prozess, die Primärkontrolle über das Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken zu erlangen, bei dem der Alexandertechniklehrer mit seinen Händen nach und nach die einzelnen Teile des Körpers neu justiert und koordiniert, entwickelt sich auch ein neues positives Körpergefühl für diese neue Koordination der einzelnen Teile zueinander: Die Einschätzung von richtig und falsch verändert sich zunächst in diesem Bereich, um dann als Kriterium für das Denken in allen Bereichen zu werden. Alles wird in einem neuen Licht gesehen. Jeder neue Gedanke ist durchdrungen von der bewussten Kontrolle des natürlichen Verhältnisses zwischen Kopf, Hals und Rücken und transportiert so eine tiefe, nicht bestreitbare Wahrheit.


Bis bald

Dein Großvater


Aktuelle Einträge
Archiv
Schlagwörter
Folgen Sie uns!
  • Facebook Basic Square
  • Twitter Basic Square
  • Google+ Basic Square
bottom of page