IM BRENNGLAS DER ALEXANDERTECHNIK: Das Rauchen
Liebe Marie,
Das Rauchen erhöht nicht nur das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, es ist auch für viele andere Krankheiten verantwortlich. Trotzdem können viele Menschen weiterhin nicht darauf verzichten. Und die Zahl der Raucher nimmt mittlerweile wieder zu. Vor allem die jungen Menschen finden zunehmend Gefallen am Nikotinkonsum. Rauchen gebe dem Alltag eine Struktur, es diene dem Stressabbau und stelle ein Brücke zu Menschen her, die ebenfalls rauchen, heißt es in einem Artikel der Westfälischen Rundschau vom 31. Mai 2023. Offensichtlich hat das Rauchverbot in geschlossenen öffentlichen Räumen zu einer gewissen Solidarisierung unter den Rauchern geführt, die in spezielle Raucherbereiche abgedrängt wurden. Raucher fühlen sich unter den Rauchern aufgehoben und nehmen Husten, Auswurf und Atemnot dafür gerne in Kauf. Das Risiko, an Kehlkopf-, Luftröhren-, Bronchial- oder Lungenkrebs zu erkranken, wird verdrängt. Schon im Alter von 40 Jahren leiden 10 % der Gesamtbevölkerung an COPD, an einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung.
"Mit dem Rauchen aufzuhören ist einfach. Ich habe es schon hundert Mal gemacht." Wer kennt sie nicht, diese witzig gemeinte Bemerkung. Sie weist darauf hin, dass Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören, oftmals scheitern. Sie scheitern, weil das Rauchen sich neben den psychischen Abhängigkeiten - Stressabbau, soziale Kontakte, feste Tagesstruktur - auch eine physische Abhängigkeit entwickelt. Dieser physischen Abhängigkeit gilt es zuerst und vor vor allen Dingen den Kampf anzusagen. Sie macht sich bemerkbar in den Bewegungsgewohnheiten, die mit dem Rauchen verbunden sind - in der Art und Weise, die Zigarette zwischen den Fingern zu halten, sie zum Mund zu führen, den Zigarettenrauch einzusaugen und wieder aus den Lungen herauzutransportieren und mancher anderer unterbewusster Beibewegungen.
Mit der Alexandertechnik ist es möglich, auch unbewusste Gewohnheiten bewusst zu machen, um sie dann zu kontrollieren und ganz abstellen zu können. Der Schüler der Alexandertechnik lernt dies am Beispiel der Primärkontrolle über das natürliche Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken. Er lernt, das Ein- und Zurückziehen des Kopfes zu hemmen, das die Auftaktbewegung für die weitere Störung dieses natürlichen Verhältnisses ist und sich fortpflanzt in eine verkürzende Verbiegung der Wirbelsäule und in eine Verengung des Rückens. An die Stelle der gewohnten unbewussten Reaktion treten bestimmte Steuerungsbefehle, die sich zuerst einmal auf dieses Verhältnis zwischen Kopf, Hals und Rücken beziehen. Mit der sich allmählich verbessernden kinästhetischen Wahrnehmung, mit der Lage und Bewegungsrichtung der einzelnen Teile des gesamten Körpers immer besser wahrgenommen werden, wird man schließlich Herr über die Gewohnheit, seinen Kopf ein- und zurückzuziehen, um später Herr über alle seine Gewohnheiten zu werden. Die mit dem Rauchen verbundenen Gewohnheiten verlieren so ihre Anziehungskraft und unser neu erwachtes Bewusstsein übernimmt die Macht über unser Handeln.
Wenn bisher das Rauchen dem Tag Struktur verliehen hat, so strukturieren nun die Steuerungsbefehle jede Sekunde unseres Lebens. Unser Sozialkontakte werden allein schon deshalb zahlreicher, weil unser Kopf so ausgerichtet ist, dass wir nicht zum Boden schauen, sondern die Menschen ansehen können, und wir müssen auch keinen Stress abauen, weil er sich unter den Bedingungen der Alexandertechnik gar nicht erst übermäßig aufbaut.
In Frank Schätzings Roman "Der Schwarm" liest man über die starke Raucherin Samantha Crowe folgendes: "Erst als Crowe die Zigarette angesteckt und den ersten Zug inhaliert hatte, fühlte sie sich wieder wie ein vollständiger Mensch. Eigentlich war es traurig, Zwei Päckchen am Tag waren verflucht traurig, und auch, dass sie nicht aufhören konnte. Zweimal hatte sie es versucht. Zweimal nicht geschafft. Vielleicht wollte sie es ja auch gar nicht schaffen ." - Wenn jemand partout nicht will, ist ihm tatsächlich nicht zu helfen.
Bis bald
Dein Großvater
