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Im Brennglas der Alexandertechnik: Angststörung


Alexandertechnik - der Baum als Symbol

Liebe Marie,

"Etwas war mit der Welt nicht in Ordnung. Etwas Düsteres, Angst einjagendes durchzog alles wie ein dunkler, undurchdringlicher Nebel, der sich heimlich um Scarlett gelegt hatte. (......) Niemals zuvor hatte sie eine solche Art der Angst kennengelernt. Ihr ganzes Leben lang stand sie bis jetzt mit beiden Beinen auf dem Boden eines gesunden Menschenverstands. Die einzigen Dinge, die ihr Angst gemacht hatten, waren Dinge, die sie sehen konnte: Verletzung, Hunger, Armut oder der Verlust der Liebe, die Ashley für sie empfunden hatte." (Zitat aus dem Roman "Vom Winde verweht")

Jeder Mensch kenne Angst. Sie sei etwas ganz Normales und Natürliches, so wie alle Gefühle natürlich seien. Und sie sei auch wichtig: "Sie bereitet uns auf Dinge vor und warnt uns vor Gefahren, damit wir entweder fliehen oder uns wehren und kämpfen können", wird die Diplom-Psychologin Christina Totzeck in meiner Tageszeitung zitiert. Krankhaft werde Angst erst dann, wenn sie in einer so starken Ausprägung auftaucht, dass sie letztlich unkontrollierbar wird. Und dieser Prozess vom Normalen zum Krankhaften verlaufe im Allgemeinen eher schleichend.

Bei der Behandlung von Angststörungen setzt die Diplom-Psychologin Christina Totzeck nicht so sehr auf Medikamente, sondern lieber auf Verhaltenstherapie: "Es braucht Zeit, dem Kopf und dem Körper beizubringen, sich nicht mehr von Angst beherrschen zu lassen." Ob ergänzend zu einer Therapie Yoga, Entspannungsübungen oder Sport helfen können, sei eine Typfrage. Warum Angst sich über die Maßen ausprägt, dafür gibt der Artikel die üblichen Antworten: Stress sei ein möglicher Faktor, es könne eine genetische Veranlagung sein oder durch Nachahmung werde das Rollenverhalten der Angst übernommen.

Nun sind alle Defekte und Mängel, also auch Angststörungen, Symptome eines Zustands schlechter Koordination und falscher Ausrichtung der Körperteile zueinander und einer unzuverlässigen sinnlichen Wahrnehmung, wie F. M. Alexander in "Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert" betont, der deutschen Übersetzung von MAN'S SUPREME INHERITANCE, die 2018 bei BooksonDemand erschienen ist. Der schlechte Einsatz der geistig-körperlichen Mechanismen führe zu Erfahrungen, die Verärgerung, andere Turbulenzen auf der Gefühlsebene und eben die Erregung der Angstreflexe über das normale Maß hinaus verursachen. "Übermäßig erregten Angstreflexen (.....) muss aber unsere ganze Aufmerksamkeit gelten, denn sie sind auf der Ebene des Unterbewusstseins an an all die geistig-körperlichen Prozesse gekoppelt, die bei Wachstum und Entwicklung des Menschen zum Tragen kommen", das schreibt der gleiche Autor in seinem zweiten Buch "Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen", 2018 ebenfalls bei BooksonDemand erschienen. (Der Titel im Original lautet: CONSTRUCTIVE CONSCIOUS CONTROL OF THE INDIVIDUAL.)

F. M . Alexander zählt einige Körpermerkmale auf, wie sie im normalen Unterricht zu beobachten sind und die von übermäßig erregten Angstreflexen ausgelöst werden: ein zu hoher Krafteinsatz, ein maskenhafter Gesichtsausdruck, ungelenke und unkontrollierte Bewegungen, Muskelzucken im Mund- und Wangenbereich und negative Auswirkungen auf die Atmung (Luft anhalten).

Dass wir heutzutage überhaupt unsere Angstreflexe über die Maßen erregen, hat eine ganze Reihe von Gründen. So ist die allgemeine Forderung, immer alles richtig zu machen, die generell von der Gesellschaft an die Menschen gestellt wird, ob im Privaten, in der Schule oder im Beruf, eine Forderung, die gar nicht erfüllt werden kann, weil ja der Zustand schlechter Koordination und falscher Ausrichtung der Körperteile zueinander und eine unzuverlässige sinnliche Wahrnehmung bei den Menschen unserer Zivilisation der Normalfall und nicht die Ausnahme sind. Schlechte Ergebnisse, die unter diesen Voraussetzungen überhaupt nicht zu vermeiden sind, führen so ggf. zu Versagensängsten, die sich mit immer neuen Anforderungen so weit aufschaukeln können, dass ein Mensch ausgebrannt ist und sich das Krankheitsbild "Burnout" entwickelt.

"Der Mensch hat von Geburt an das unveräußerliche Recht auf einen eigenen Willen und das Recht, nein zu sagen." Beide Qualitäten sollten aber in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, wollen sie nicht die Angstreflexe über die Maßen auslösen, so F. M. Alexander. Dieses ausgewogene Verhältnis ist aber in unserer Konsumgesellschaft extrem gestört. Die beständigen, immer neuen verlockenden Konsumimpulse durch die perfiden Strategien der Werbung lassen die Fähigkeit, "Nein!" zu sagen, mehr und mehr schrumpfen. Perfide sind die Werbestrategien, weil sie dem Menschen vorgaukeln, es sei tatsächlich sein eigener Wille, der den jeweiligen Kaufwunsch hervorruft. Wenn dem Willen aber der Gegenpol der Entsagung (nein sagen) fehlt, verkommt der Wille zu einer bloßen Gewohnheit und verliert am Ende gänzlich seine Eigenschaft zu wollen. (Das klingt "philosophisch", ist aber in der Praxis von entscheidender Bedeutung, weil sich in der so entstehenden Lücke die Angst einnistet und breit und breiter macht.)

Was ist also zu tun? Wie kann man dem menschlichen Körper und Geist beibringen, sich nicht mehr von Angst beherrschen zu lassen? Was muss eine Verhaltenstherapie berücksichtigen, die das in die Wege leiten will?

Jede Therapieform ist dazu bestens geeignet, die die folgenden Punkte berücksichtigt:

- Sie arbeitet auf der Bewusstseinsebene.

- Sie verbessert die sinnliche, insbesondere die kinästhetische Wahrnehmung.

- Sie lehrt uns, den vorhandenen falschen Gebrauch und unseren Wunsch, auf direktem Wege

unsere Ziele anzugehen, zu hemmen.

- Sie lehrt uns, nicht in das primäre Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken einzugreifen.

- Sie lehrt uns, unseren Gefühlen zu misstrauen, die ja falsch sein müssen, weil sich sonst ein

falscher Gebrauch gar nicht hätte entwickeln können.

- Sie geht indirekt an die Probleme heran.

Wenn Dir, liebe Marie, neben der Alexandertechnik eine andere Therapieform bekannt ist, die diese Kriterien erfüllt, kann auch sie ohne Bedenken angewendet werden.

Und zum Schluss eine weitere Zeile aus einem Lied von Konstantin Wecker: Freiheit heißt, keine Angst haben, vor nichts und niemand. In der Tat wird sich einem Mensch, der nicht in sein primäres Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingreift, das Problem übermäßiger Angst niemals wirklich stellen.

Bis bald

Dein Großvater

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