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Im Brennglas der Alexandertechnik: Die Rumpfmuskulatur


Liebe Marie,

"Laufanfänger haben häufig mit Rückenschmerzen zu kämpfen", heißt es in einem kurzen Artikel der Westfälischen Rundschau vom 28. Mai 2020. Eine mögliche Ursache sei eine geschwächte Rumpfmuskulatur. Diese stütze nämlich die Rückenmuskeln während des Joggens. Ideal für die Stärkung des Rumpfes seien Stabilisierungsübungen, wie es der 'Unterarmstütz' ist.

Die Rumpfmuskulatur durch bestimmte Übungen zu stärken, wenn bereits Rückenschmerzen vorhanden sind, hat aber weitreichende Konsequenzen, die ganz und gar nicht positiv sind: "Durch die beständige Ausführung dieser Übungen werden die ursprünglichen Defekte im allgemeinen Gebrauch der Mechanismen (hier: Rückenprobleme) immer noch ausgeprägter und, was noch gravierender ist, es kommen weitere hinzu." So ist es in "Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen" (BooksonDemand, 2019), der Neuübersetzung ins Deutsche von F. M. Alexanders CONSTRUCTIVE CONSCIOUS CONTROL OF THE INDIVIDUAL nachzulesen. Zur Ausprägung der vorhandenen und zur Bildung zusätzlicher Defekte wird es jedoch zwangsläufig früher oder später kommen, weil dem Jogger nicht eine sinnliche Wahrnehmung zur Steuerung seines Gebrauchs zur Verfügung steht, die zuverlässig wäre, und weil die Koordination seines gesamten Organismus sehr zu wünschen übrig lässt. Dies wird allein schon durch die Tatsache belegt, dass ihn Rückenschmerzen plagen. Nicht nur dass sich neue Defekte ausprägen und die vorhandenen sich noch verstärken, die Ausbildung zusätzlicher Muskelmasse an der Außenseite des Brustkorbs verhindert eine angemessene Expansion und Kontraktion des Brustkorbs beim Atmen. So wird der Brustkorb eher noch versteift, was sich zusätzlich negativ auf die Atmung auswirkt.

Jogging grenzt sich z. B. vom Sprint dadurch ab, dass beim Laufen so lange wie möglich keine Sauerstoffschuld eingegangen wird, dass sich also Sauerstoffaufnahme und Sauerstoffverbrauch lange Zeit die Waage halten. Unter diesem Gesichtspunkt ist es deshalb sogar kontraproduktiv, an der Außenseite des Bruskorbs Muskelmasse anzulagern. Um nicht so schnell außer Atem zu geraten, ist es vielmehr notwendig, dass sich das innere Brustkorbvolumen vergrößert. Dazu schreibt F. M. Alexander in "Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen": Bei der großen Mehrzahl der Menschen sind bereits schädliche Defekte festzustellen, wenn sie die Atemmechanismen gebrauchen. Damit einher geht ein enormer Verfall der Brustkorbkapazität und der Beweglichkeit des Brustkorbs."

Wenn nun jemand beim Joggen oder bei sonst einer Tätigkeit schnell außér Atem gerät, ist dies "das Resultat bestimmter falscher Gebrauchsweisen des Organismus. Und dies deutet darauf hin, dass die sinnliche Wahrnehmung im Bereich der Steuerung und Kontrolle der betreffenden geistig-körperlichen Mechanismen unzuverläsig und fehlerhaft geworden ist." Und seit dem Wirken F. M. Alexanders wissen wir auch sehr genau, dass "die sinnliche Wahrnehmung für die Psychomechanik der Atmung von überragender Bedeutung ist." Wenn nicht wahrgenommen werden kann, dass etwas in der Funktionsweise der geistig-körperlichen Mechanismen der Atmung nicht stimmt, wird es auch kaum möglich sein, daran etwas positiv zu verändern. Mit den Methoden der Alexandertechnik entwickelt sich die sinnliche Wahrnehmung eines Schülers unter den Händen eines Alexandertechniklehrers bei dem Prozess, die richtige Primärkontrolle des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken einzurichten, allmählich so, dass er sich auf seine sinnliche Wahrnehmung wirklich wieder verlassen kann.

Die Entwicklung verläuft in einer Aufwärtsspirale: "(Mit den Verfahren der Alexandertechnik) wird eine allmähliche Verbesserung der sinnlichen Wahrnehmung auf den Weg gebracht, so dass (dem Schüler) mehr und mehr die Fehler seiner gewohnten Art und Weise des Selbstgebrauchs bewusst werden. Und mit diesem wachsenden Bewusstsein für die Art und Weise seines Selbstgebrauchs wird sich seine sinnliche Wahrnehmung entsprechend weiter verbessern." Dies schreibt F. M. Alexander im 3. Kapitel seines wohl bekanntesten Buches "Der Gebrauch des Selbst" (Eine Neuübersetzung ins Deutsche wird zum Ende des Jahres bei BooksonDemand erscheinen.) Und in einer Anmerkung zu dieser Textstelle ergänzt er: "Mit der Verbesserung seines Gebrauchs wird er sich der zunehmenden Expansion und Kontraktion des Brustkorbs bzw. des Ausmaßes der Mobilität des Brustkorb bewusst. Sich auf das sensorische Register verlassen zu können, ist für all jene von entscheidender Bedeutung, die ihre nur wenig zufriedenstellenden Funktionsverhältnisse so verändern wollen, dass sie permanent immer zufriedenstellender werden."

Mit einer intakten sinnlichen Wahrnehmung ist der kluge Läufer - klug ist ein Jogger, wenn er nicht dem Zielstreben mit seinem 'Schneller, Weiter, Höher' anhängt - jetzt in der Lage, sich in seinem Lauftempo und seinem Laufrhythmus seiner Atmung anzupassen. Und weil er bei dem Prozess, der zur Entwicklung einer zuverlässlichen sinnlichen Wahrnehmung und einem Gebrauch, der nicht das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken stört, geführt hat, auch das Hemmen gelernt hat, kann er mit dieser Fähigkeit zur Hemmung auch seinen Wunsch unterdrücken, seiner Atmung ein Lauftempo aufzuzwingen, das ganz und gar nicht angemessen ist.

Wenn ein Mensch dann so in die Lage versetzt worden ist, die geistig-körperlichen Mechanismen so zu steuern, dass sich die Wände des Brustkorbs beim Atmen mehr und mehr weiten und wieder zusammenziehen können, wird auch die Rumpfmuskulatur auf ganz natürliche Weise gestärkt worden sein und die Rückenprobleme werden der Vergangenheit angehören.

Bis bald

Dein Großvater

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