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Im Brennglas der Alexandertechnik: Die Fehlsteuerung des Gebrauchs


Liebe Marie,

ich schreibe heute über einen Abschnitt des 3. Kapitels von F. M. Alexanders 'Der Gebrauch des Selbst'. (Eine Neuübersetzung von THE USE OF THE SELF wird Ende 2020 bei BooksonDemand erscheinen.) Ich habe nämlich die Vermutung, dass diesem Kapitel über den Abschlag im Golf bisher nicht genügend Beachtung geschenkt worden ist, ist Golf doch lange Zeit als eine Sportart einer elitären Gesellschaftsschicht angesehen worden. Tatsächlich handelt dieses Kapitel aber nur oberflächlich von dieser grundsätzlichen Technik im Golf, wie F. M. Alexander mit den folgenden Sätzen klarstellt:

"Man kann tatsächlich eine Fehlsteuerung des Gebrauchs bei allen Aktivitäten in jeglichen Bereichen nachweisen. Es liegt mir deshalb sehr am Herzen zu zeigen, dass die Schwierigkeit des Golfspielers nicht nur auf den Bereich des Golfsports beschränkt ist, sondern ein allgemeines Problem darstellt. Mit diesem Problem werden all jene konfrontiert, die erfolglos versuchen, einen Defekt zu korrigieren, der sie bei ihren verschiedenen Aktivitäten oder dabei behindert, eine bestimmte Handlung zufriedenstellend auszuführen. Fehlsteuerung des Gebrauchs finden wir genauso bei einem Menschen, wenn er einen Stift in die Hand nimmt und dabei so vorgeht, dass er seine Finger übermäßig versteift, mit dem Arm Bewegungen macht, die eigentlich mit den Fingern gemacht werden sollten, oder dass er dabei sogar sein Gesicht verzerrt.

​Wir finden eine solche Fehlsteuerung bei jemandem, der sich sportlich betätigt, wenn er die Ausführung einer Arm- oder Beinbewegung mit einem so schädlichen, wie unnötigen Herunterdrücken des Kehlkopfes und mit einer übermäßigen Anspannung der Brustkorbmuskulatur verbindet. Fehlsteuerung des Gebrauchs zeigt sich auch, wenn jemand, der beim Gehen oder Stehen durchaus auf natürliche Weise durch die Nase einatmet, beim Singen oder Sprechen aber zu Beginn eines jeden Satzes die Luft hörbar durch den Mund 'einsaugt'. Sie zeigt sich bei dem Athleten, ob Profi oder Amateur, wenn er sich ganz besonders anstrengt, indem er die Halsmuskeln übermäßig anspannt und den Kopf unangemessen zurückzieht."

Bei jeder Form von Aktivität wird der Gebrauch der Mechanismen, die jeweils zum Einsatz kommen, entweder zufriedenstellend oder nicht ausreichend sein, je nachdem, ob unsere Steuerung des Gebrauchs zufriedenstellend ist oder nicht. Dort, wo die Steuerung zufriedenstellend ist, ist gewährleistet, dass auch der Gebrauch der Mechanismen des Organismus als einer Funktionseinheit zufriedenstellend ist, inklusive eines zufriedenstellenden Gebrauchs der verschiedenen Teile des Organismus, wie etwa der Arme, Handgelenke, Hände, Beine, Füße und Augen. Daraus folgt auch: Dort, wo eine Fehlsteuerung vorhanden ist, steht es nicht in unserer Macht, die Mechanismen zufriedenstellend zu gebrauchen. Genau das ist die Lage, in der sich der Golfspieler befindet, der nicht, wie er es sich wünscht, die Augen auf den Ball gerichtet halten kann."

In einer solchen Lage, die Mechanismen des Organisimus nicht zufriedenstellend gebrauchen zu können, weil die Steuerung und Kontrolle des Gebrauchs fehlerhaft ist, befinden sich manche in unserer Zivilisationsgesellschaft. In dieser Situation befinden sich diejenigen, die an ihren Hüften die 'Haltegriffe' bemerkt haben und sie dadurch beseitigen wollen, dass sie ein Fitnessstudio aufsuchen, um das sogenannte 'Hüftgold' in Muskelmasse zu verwandeln, anstatt dafür Sorge zu tragen, dass sich durch die richtige Primärkontrolle des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken auch das Gewebe an den besagten Stellen strafft. In dieser Lage befindet sich ein Mensch, bei dem der Orthopäde ein Hohlkreuz diagnostiziert hat und der es auf Anraten seines Arztes daduch beseitigen will, dass er mit entsprechenden Kraftübungen seinen Rücken stärkt. In dieser Situation befindet sich der Jogger mit Kniebeschwerden, dem Bandagen, und der Sportler, dem Einlagen verschrieben worden sind; der Fehlsichtige, dem eine Brille verordnet, und der Schwerhörige, dem ein Hörgerät angepasst worden ist; der Tennis-, Tischtennis- oder Badmintonspieler, dem gegen seinen sogenannten 'Tennisarm' eine Armklammer empfohlen wird; oder auch derjenige, der sich ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk einsetzen lässt. Sie verschaffen sich vielleicht durch die jeweilig ergriffenen Maßnahmen eine Zeitlang Linderung, lassen aber alle so das ursächliche Problem unberührt: Das mehr oder weniger ausgeprägte Eingeifen in das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken.

Und was für Bandagen, Armklammern oder Einlagen gilt, hat auch Gültigkeit für all die anderen Hilfsmittel, die immer einmal wieder beworben werden: Für den Rollator, die besonderen Matratzen, den ergonomischen Stuhl, so wie ergonomisch gerade definiert wird (Zu Beginn meiner Lehrerkarriere war die geschwungene Rückenlehne das Non-Plus-Ultra, heute muss die Rückenlehne gerade sein, will sie ergonomischen Ansprüchen genügen.), keilförmige Sitzkissen, MBTs - Schuhe mit einer konkaven Wölbung der Sohle -, die lange Zeit im Trend lagen, und, und, und.

Nicht die verschiedenen Hilfsmittel sind also auf lange Sicht die Lösung des jeweiligen Problems, sondern eine bewusste Steuerung und Kontrolle des Gebrauchs. Um eine neue Steuerung des Gebrauchs bei einem Menschen aufzubauen, sind bestimmte vorbreitende Handlungen notwendig, die eine koordinierte Handlungsabfolge bilden und nach dem Prinzip "alle zusammen, einer nach dem anderen" auszuführen sind. Aus dieser koordinierten Handlungsabfolge setzt sich "die Primärkontrolle des Selbstgebrauchs zusammen, die das Arbeiten aller Mechanismen (des menschlichen Organsimus) bestimmt. Diese Primärkontrolle hängt von einem bestimmten Gebrauch des Kopfes und Halses im Verhältnis zum Rest des Körpers ab", so kann man es in 'Der Gebrauch des Selbst' im 3.Kapitel nachlesen.

Was diesen "bestimmten Gebrauch des Kopfes und Halses im Verhältnis zum Rest des Körpers" ausmacht, darauf, liebe Marie, werde ich zu gegebener Zeit in einem der nächsten Blogbeiträge eingehen.

Bis bald

Dein Großvater

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