top of page
Empfohlene Einträge

Im Brennglas der Alexandertechnik: Kontrolle über die Hände erlangen


Liebe Marie,

"Sind so kleine Hände / Winz'ge Finger dran / Darf man nie d'rauf schlagen / Sie zerbrechen dann", singt die Liedermacherin Bettina Wegener, die dieser Tage eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk von der GEMA erhalten wird, in ihrem wohl bekanntesten Song. Angesichts von Sars-CoV-2 könnte man die Strophe vielleicht so umdichten: "Sind so schmutz'ge Hände / Winz'ge Viren dran / darf man nicht in' Mund nehm'n / Machen sie Dich krank".

In der Tat raten Experten in diesen Tagen angesichts drohender Corona-Infektion dazu, nicht mit den Händen ins Gesicht zu fassen, weil "dort die Eingangspforten für Sars-CoV-2 liegen", heißt es in der Westfälischen Rundschau vom 9. März 2020. Nur ist dies einfacher gesagt als getan, weil dies zum einen oftmals "ganz unbewusst geschieht" und weil wir dies in der Vergangenheit aus Gewohnheit jeden Tag unzählige Male getan haben und es auch weiterhin tun werden.

Die "Wege, den Griff ins Gesicht zu vermeiden", die manche Experten empfehlen - eine Box mit Kleenextüchern immer griffbereit halten, um den direkten Kontakt von Fingern und Gesicht zu verhindern; ein 'Stressball', der die Hände beschäftigt hält und so das Bedürfnis reduziert, sich ins Gesicht zu fassen; stark parfümierte Seifen und Cremes verwenden, um so den Geruchssinn als zusätzlichen Warnhinweis einzusetzen -, klängen alle sehr nett, so Ernst Tabori, der ärztliche Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene in Freiburg. Aber es sei nun einmal schwer, "tief verwurzelte Verhaltensmuster zu durchbrechen", weil dies tatsächlich häufig unbewusst geschehe.

Shew Shankman, ein amerikanischer Verhaltensforscher, gibt eine andere wichtige, "vielleicht die wichtigste Empfehlung", so meine Tageszeitung: "Die Menschen sollten versuchen, ihren Stress zu reduzieren, statt sich zwanghaft darum zu sorgen, was sie anfassen." Stress wirke sich auf das Immunsystem aus, und je stärker man gestresst sei, desto schlechter könne der Körper gegen Infektionen angehen.

Wenn sich zum einen Stress negativ auf das Immunsystem auswirkt und das Immunsystem zum anderen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Sars-CoV-2 spielt, ist doch wohl angeraten, dafür zu sorgen, dass der Stress und die Anspannung reduziert werden. F. M. Alexander schreibt dazu in "Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen" (BooksonDemand, 2018), der deutschen Neuübersetzung von CONSTRUCTIVE CONSCIOUS CONTROL OF THE INDIVIDUAL folgendes: "In unserem unbewussten und nicht unbedingt klugen Bemühen, uns an eine sich beständig verändernde Umwelt anzupassen (Viren sind in der Tat ein gutes Beispiel für eine solche Umwelt), haben wir einen Zustand von Stress und Anspannung in unserem Inneren entwickelt (....), wenn die geistig-körperlichen Mechanismen bei unseren ganz normalen Aktivitäten zum Einsatz kommen und wenn die zwingenden Bedürfnisse unseres Organismus zur Aufrechterhaltung der Gesundheit befriedigt werden müssen."

Schlechte Gebrauchsgewohnheiten seien das Fundament für alle nicht normalen Zustände im Organismus, heißt es in "Die Konstante im Fluss des Lebens" (BooksonDemand, 2019), der Neuübersetzung ins Deutsche von F. M. Alexanders THE UNIVERSAL CONSTANT IN LIVING. Und ein mehr schlecht als recht funktionierendes Immunsystem ist geradezu ein Paradebeispiel für einen nicht normalen Zustand im Organismus. Weiter schreibt er dann dort: "Wenn sich bei jemandem eine bestimmte Gewohnheit eingeschlichen hat (hier ist es die Gewohnheit des Immunsystems, schlecht zu funktionieren), ist sie immer von einer individuellen Art und Weise des Gebrauchs begleitet, die selbst zu einer Gewohnheit geworden ist. Und weil der Organismus als eine Einheit funktioniert, ist eine Veränderung einer speziellen, fundamentalen Gewohnheit solange nicht möglich, wie diese gewohnte Art und Weise des Gebrauchs Bestand hat."

Tatsächlich manifestieren sich in dieser gewohnten falschen Art und Weise des Gebrauchs auch sehr konkret Stress und Anspannung, als ein solch falscher Gebrauch dadurch gekennzeichnet ist, dass bestimmte Teile des Organismus übermäßig verspannt und angespannt sind, die eher weniger unter Spannung stehen sollten, und dass andere Teile des Organismus, die aktiviert sein sollten, mehr oder weniger erschlafft sind. Wie sich falsche Spannungsverhältnisse auf den gesamten Organismus auswirken kann, beschreibt F. M. Alexander detailiert am Beispiel der Atmung in "Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert" (BooksonDemand, 2018), der deutschen Erstübersetzung von MAN'S SUPREME INHERITANCE.

Jetzt ist hoffentlich deutlich geworden, dass, mehr als alle Regeln zur Benutzung der Hände, es notwendig ist, den allgemeinen Gebrauch des Einzelnen zu verändern, wenn das Immunsystem wieder seine volle Leistungfähigkeit erlangen soll. Kein anderes System ist tatsächlich besser dazu in der Lage als die Alexandertechnik. Nach und nach lernt der Schüler immer mehr Teile seines Organismus bewusst zu steuern und zu kontrolllieren, so dass er immer weniger in die Primärkontrolle des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken eingreift. Dazu ist er gehalten, seine sofortige Reaktion auf einen gegebenen Reiz zu hemmen, um nicht in seine alten Verhaltensmuster zurückzufallen. Die Hemmung der Reaktion auf einen Reiz ermöglicht es dem Lehrer nämlich erst, seinen Schüler mit den richtigen sinnlichen und insbesondere mit den richtigen kinästhetischen Wahrnehmungen vertraut zu machen, die mit der jeweiligen Aktion verbunden sind. Mit der Zeit erlangen so alle Organe, Mechanismen und Funktionen ihre volle Leistungsfähigkeit zurück, so auch das Immunsystem. Mit der indirekten Vorgehensweise der Alexandertechnik, die Mittel-und-Wege beachtend, werden wir auch letztlich die Kontrolle über unsere Hände erlangen, so dass wir uns nicht länger unbewusst ins Gesicht fassen.

In der letzten Strophe von Bettina Wegeners Lied "Kinder- Sind so kleine Hände" heißt es: Ist so'n kleines Rückgrat / Sieht man fast noch nicht / Darf man niemals beugen / Weil es dann zerbricht.

Wenn man darin das Gedankengut F. M. Alexanders einarbeiten wollte, könnten die Zeilen vielleicht so lauten: Ist ein flexibles Rückgrat / Hals und Kopf darauf / Darf man nicht stören / Weil es sich sonst verbiegt.

Bis bald

Dein Großvater

Aktuelle Einträge
Archiv
Schlagwörter
Folgen Sie uns!
  • Facebook Basic Square
  • Twitter Basic Square
  • Google+ Basic Square
bottom of page