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Im Brennglas der Alexandertechnik: Gehen, so weit die Füße tragen


LIebe Marie,

"Experten vergleichen die moderen Schuhe gerne mit einem Korsett, das um die Füße geschnallt wird: Dicke oder feste Sohlen, gerne gut gedämpft, eng anliegend." So kann man es in der Westfälischen Rundschau vom 3. Februar 2020 nachlesen. Sie hätten nur wenig mit den 'Schuhen' zu tun, die unsere Vorfahren in der letzten Eiszeit erfunden haben, um die Füße zu wärmen und zum Beispiel vor spitzen Steinen zu schützen. Es waren Felle, die sie sich um die Füße gebunden hatten.

Unsere modernen Schuhe schränkten die Bewegungsfreiheit der Füße stark ein. So werde die Fußmuskulatur nicht mehr so gut ausgebildet, wie es z. B. beim Barfußlaufen der Fall ist. Zudem "schränken sowohl Schuhe als auch Socken die Propriozeption, also das Empfindungsvermögen der Füße ein", so der Sportmediziner Karsten Hollander von der Universität Hamburg in dem Artikel. Aber niemand kenne das "optimale Lauf- und Gangverhalten, wahrscheinlich weil es das nicht gibt", so K. Hollander weiter.

"Die Physiologie mag die Namen aller Muskeln und die spezielle Funktion jedes einzelnen von ihnen kennen, wenn es aber darum geht, sie in der komplexen Abeitsweise des menschlichen Organismus zu verwenden, hilft uns ihr Wissen nicht weiter." Dies hat F. M. Alexander in "Die Konstante im Fluss des Lebens"(BooksonDemand, 2019), der Neuübersetzung ins Deutsche von THE UNIVERSAL CONSTANT IN LIVING geschrieben. So kann es auch niemanden verwundern, dass die Sport-, Bewegungs-, und Trainingswissenschaften in der Frage eines "optimalen Lauf- und Gangverhalten" passen müssen.

Wer jedoch "Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert" (BooksonDemand, 2018), die deutsche Erstübersetzung von MAN'S SUPERME INHERITANCE gelesen hat, weiß, dass sehr wohl Ausagen zum "optimalen Lauf- und Gangverhalten" gemacht worden sind. F. M. Alexander schreibt dort nämlich: "Die Standposition (..) ist aus physiologischer Sicht auch der Ausgangspunkt für das Gehen. Das Gewicht wird zum größten Teil auf den hinteren Fuß verlagert. So kann dann das andere Knie gebeugt und der vordere Fuß gehoben werden. Gleichzeitig sollte das Fußgelenk des hinteren Beines so gebeugt werden, dass sich der ganze Körper leicht nach vorne neigt. Auf diese Weise wird die treibende Energie der Schwerkraft ins Spiel gebracht. Wenn die grundlegenden Prinzipien erst einmal verstanden worden sind, ist die gesamte Physiologie des Gehens tatsächlich erstaunlich einfach. Das Gehen wird einfach nur aufgelöst in diese beiden primären Bewegungsphasen: Man lässt den Körper von dem Fußgelenk aus, auf dem das Gewicht ruht, sich nach vorne neigen und übergibt dann das Gewicht dem Fuß, der nach vorne gebracht worden ist, um zu verhindern, dass man fällt."

Und zu der Standposition, die ja "der Ausgangspunkt für das Gehen" ist, schreibt F. M . Alexander dort: "Die Füße sind so zu setzen, dass sie als Basis und als Dreh- und Angelpunkt die größte Wirkung erzielen können. (....) Hauptsächlich sollte das Gewicht des Körpers auf dem hinteren Fuß ruhen. Den Hüften sollte es erlaubt werden, so weit wie möglich zurückzufallen, ohne dass das Gleichgewicht, das von der Fußstellung bestimmt wird, verändert wird und ohne dass der Körper absichtlich nach vorne geschoben wird. Diese Bewegung beginnt bei den Knöcheln und hat insbesondere Auswirkungen auf die Fuß- und Hüftgelenke. Wenn der Körper sich nach vorne neigt, darf es keine Verbiegung der Wirbelsäule oder des Halses geben. Von den Hüften aufwärts muss die relative Lage aller Teile des Torsos zueinander unverändert bleiben."

Und weiter schreibt er: "Fast jeder, den ich untersucht oder beim Gehen nur beobachtet habe, verwendet bei diesem Prozess eine unnötige Körperspannung. Sie lässt Wirbelsäule und Beine tendenziell verkürzen.Tatsächlich drückt sich der Betreffende sozusagen in den Boden hinein anstatt diesen Druck zu verringern, indem er seinen Körper lang werden lässt und indem er sein Gewicht nach vorne verlagert, was dazu führen würde, dass er sich leicht und frei bewegen könnte. Auf der anderen Seite verwendet jemand, der gut koordiniert ist, gerade genug und nur so viel Spannung, dass sich die Wirbelsäule und die Beine längen können. Das Gleichgewicht ist so, dass der unangemessene Druck in den Boden nicht vorhanden ist. In den Bewegungen eines solchen Menschen findet sich eine Leichtigkeit und Freiheit, die bemerkenswert ist."

Diese Beschreibung macht nur allzu deutlich, dass es eine kluge Entscheidung ist, die Hilfe eines Alexanderlehrers in Anspruch zu nehmen, wenn man all dies ohne große Probleme umsetzen will, ohne dass die Primärkontrolle des natürlichen Verhältnisses von Kopf, Hals und Rücken gestört wird. Für den Lernprozess ist es eine unbedingte Voraussetzung, dass das alte Geh- und Laufmuster dadurch gehemmt wird, dass der Lernende zunächst die Reaktion auf den Reiz loszugehen verweigert. Erst eine solche Verweigerung gibt dem Alexanderlehrer die Gelegenheit, seinem Schüler die richtigen kinästhetischen Empfindungen - die Sportwissenschaft verwendet für die kinästhetische Wahrnehmung den Begriff Propriozeption - dadurch zu vermitteln, dass er ihn durch die jeweilige Bewegung führt.

Wenn es gelingt, "den Körper von dem Fußgelenk aus, auf dem das Gewicht ruht, sich nach vorne neigen (zu lassen) und dann das Gewicht dem Fuß (zu übergeben), der nach vorne gebracht worden ist, um zu verhindern, dass man fällt", ist es relativ egal , welches Schuhwerk ein Mensch tatsächlich trägt, ob Five Fingers oder rote High Heels, oder ob man barfuß läuft.

Bis bald

Dein Goßvater

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