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Im Brennglas der Alexandertechnik: Schule


Liebe Marie,

was ist eine gute Schule? Diese Frage treibt wohl die Menschen um, seitdem es Schule überhaupt gibt. Noch zu meiner Zeit als Schüler waren der Taschenrecher, "Programmiertes Lernen" oder das Sprachlabor zum Erlernen einer Fremdsprache der letzte Schrei. Ja, es hat sogar Versuche gegeben, Lerninhalte im Schlaf zu vermitteln, die aber jämmerlich gescheitert sind. Heute setzt man auf digitale Medien im Unterricht, die natürlich auf dem neuesten Stand sein müssen, auf kooperatives oder individualisiertes Lernen, auf Inklusion, je nach Ausrichtung der Schule.

Was ist eine gute Schule? Mit dieser Frage wird auch eine Rezension eines Buches von Jürgen Klaube zu diesem Thema in der Westfälischen Rundschau vom 21. Mai 2019 eingeleitet. Darin nehme der Autor die hehren Ziele der modernen Schule, Medienkompetenz durch Digitalisierung des Schulalltags zu erwerben, individuelles Lernen zu ermöglichen oder die Schule der Lebenswelt der Kinder anzunähern, auseinander. Stattdessen fordere er "eine Rückkehr zum Kerngeschäft" und eine Abkehr von gesellschaftspolitischen Illusionen. Es gehe darum "Kinder und Jugendliche durch das Lernen an die eigene Lebensführung heranzuführen", so Klaube. Das schließe "sachliche wie soziale Zuwendung, Höflichkeit, die Beachtung von Regeln sowie die Bereitschaft, sich selbst zu verändern, unbedingt mit ein".

Schon in: Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen (BooksonDemand, 2018), der deutschen Neuübersetzung von CONSTRUCTIVE CONSCIOUS CONTROL OF THE INDIDIVIDUAL hat F. M. Alexander zum Thema Schule das Folgende geschrieben: "Die Direktorin einer Grundschule hatte mich einmal kontaktiert, weil sie sehr gehofft hatte, eine Lösung für das Hauptproblem ihrer Schule, wie sie es richtig eingeschätzt hatte, zu finden. Man habe es mit den allerneuesten Methoden probiert, wie sie betont hatte: So habe man für gesunde äußere Bedingungen gesorgt. Bewegung im Freien sei als Prinzip eingeführt worden und auch für die Methode des 'freien Ausdrucks' sei Raum geschaffen worden.Trotzdem bestehe das Problem weiter und harre einer Lösung. Allen Beteiligten werde immer deutlicher, wie sehr es unter den Nägeln brenne. Sie selbst habe "Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert" gelesen. Erst danach habe sie verstehen können, warum es nicht ausreicht, im Freien aktiv zu sein, wenn man die Defekte und Mängel, die der Anlass dafür gewesen sind, dass man sich ernsthafte Sorgen gemacht hat, bei den Kindern beseitigen oder besser noch verhindern will. Was nützen gute hygienische Verhältnisse, Aktivitäten im Freien, stark verbesserte Umweltbedingungen, die Methoden des 'freien Ausdrucks' und 'Körperübungen', wenn es dem Kind, dem eine allumfassende Bildung vermittelt werden soll, unter all den Bedingungen erlaubt ist, sich bei seinen Aktivitäten in einer Art und Weise zu gebrauchen, die die Psychomechanik der Atemprozesse in einem Ausmaß stört, dass diese Prozesse eher mit minimaler Kapazität arbeiten, als dass so gute Resultate wie eben möglich bei maximaler Kapazität erzielt werden?"

Der Autor Jürgen Klaube fordert von den Schülern "die Bereitschaft, sich selbst zu verändern" ein. Und F. M. Alexander schreibt dazu in seinem letzten Buch "Die Konstante im Fluss des Lebens" (BooksonDemand, Aug./Sept. 2019), der Neuübersetzung von THE UNIVERSAL CONSTANT IN LIVING ins Deutsche folgendes: "Das Problem, das wirklich unter den Nägeln brennt, betrifft die Veränderung des Denkens und des Handelns. Die Lösung dieses Problems ist so entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung eines jeglichen Konzepts zur Selbsthilfe, dass die Notwendigkeit besteht, neue Vorstellungen aufzugreifen, die auch ungewöhnliche Einstellungen und ungewöhnliches Gedankengut mit einschließen."

Es gibt eine Lösung für das Problem, die mit der Alexandertechnik herbeigeführt werden kann: ein veränderter Selbstgebrauch, der nicht in das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingreift. "Ein so veränderter Selbstgebrauch führt dann zu einer Anhebung des allgemeinen Funktionsniveaus und dazu, dass die geistig-körperlichen Defekte und schlechten Bedingungen (....) überwunden werden können." Dies macht es notwendig, "auf neuen Wegen und mit neuen Mitteln das zu tun, was wir tun wollen, durch Hemmung die vertrauten Wege zu versperren" (...) und "auf unbekannten Bahnen zu denken". Dazu müsste in den öffentlichen und privaten Schulen das Konzept umgesetzt werden, das in der F. M. Alexander-Trust-Fund-School in Penhill, Kent erfolgreich erprobt worden ist. "Die systematische Arbeit dort war nach einem Modell gestaltet", wonach zunächst das zu ersetzende Muster stillgelegt werden müsse, bevor ein neues Muster zur Anwendung kommen könne. Das neue "Muster nimmt dadurch Form und Gestalt an, dass die Mittel-und-Wege der Technik angewendet werden", wie F. M. Alexander in seinm Buch "Die Konstante im Fluss des Lebens" schreibt.

Nur sind wir davon meilenweit entfernt, dass die Alexandertechnik in den Fächerkanon der normalen oder wenigstens ausgewählter Schulen zur Erprobung aufgenommen wird. Das würde nämlich bedeuten, dass sich die Erpobungsschulen völlig neu aufstellen müssten: Man müsste sich von dem Prinzip der Zielorientierung verabschieden und es durch ein Prinzip ersetzen, das sich an den Mitteln-und-Wegen orientiert, mit denen verhindert werden kann, dass in das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingegriffen wird. Tatsächlich sind wir aber einfach (noch) nicht bereit, all das über Bord zu werfen, was ganz offensichtlich dem Einzelnen Schaden zufügt. Lieber fügen wir uns in das Unvermeidliche, wie man uns weismachen will. Und wir haben gelernt, uns in unserem seelischen und körperlichen Elend einzurichten, das von dem äußeren Wohlstand und den zahlreichen Annehmlichkeiten in unserer Gesellschaft übertüncht wird, die wir aber nicht missen wollen.

Aber ich sehe einen Hoffnungsschimmer am Horizont: Die Bewegung Fridays-for-Future. Wenn der Einsatz der vielen jungen Menschen überall in Europa für die Zukunft der Menschheit nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben sollen, ist es unumgänglich, dass die Menschen lernen, ihr Verhalten zu verändern, wirklich von Grund auf zu verändern! Aber davon nächste Woche mehr.

Bis bald

Dein Großvater

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