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Im Brennglas der Alexandertechnik: Stehen und Gehen, das Handy in der Hand


Liebe Marie,

F. M. Alexander wurde 1868 auf einer Farm in Australien geboren. Als Kind war er so lebhaft, dass er aus der öffentlichen Schule genommen und privat unterrichtet werden musste. Er wurde zum Pferdeliebhaber und lernte Texte von Shakespeare auswendig. Mit 16 lernte er Geige spielen und nahm ersten Schauspielunterricht. Er ging danach nach Melbourne und setzte dort bei den besten Lehrern des Landes seine Schauspielausbildung fort, um dann sein eigenes Theater zu gründen. Finanzielle Probleme zwangen ihn, das Theater wieder aufzugeben, und er hielt sich eine Zeit lang mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Sein schlechter Gesundheitszustand und sein aufbrausendes Temperament ließen ihn aber nie länger bei einem Arbeitgeber bleiben. Mit Anfang 20 startete er schließlich eine Karriere als professioneller Schauspieler und Rezitator. Bald schon wurden jedoch seine gesundheitlichen Probleme so gravierend, dass er sie nicht länger ignorieren konnte. Diese Probleme waren es, die letztlich dazu geführt haben, dass er seine Technik entwickelt hat. Wie ihm dies gelungen ist und welche Schwierigkeiten es dabei zu überwinden galt, hat F. M. Alexander in seinem Buch THE USE OF THE SELF (Der Gebrauch des Selbst, Karger Verlag) sehr ausführlich beschrieben.

In der YouTube-Quelle, der ich die Informationen zum Lebenslauf von F. M. Alexander verdanke, wird gesagt, dass er als Schauspieler und Rezitator durchaus Erfolge auf der Bühne gefeiert hat. Im Rückblick, nach der Entwicklung seiner Technik, wird er selbst sicherlich zu einem anderen Urteil gekommen sein: Seine Stimm- und Halsprobleme waren der schlagende Beweis dafür, dass er den Mitteln-und-Wegen nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hat, nicht erst als er in Melbourne auf der Bühne Karriere machen wollte, sondern auch schon vorher auf dem Rücken der Pferde oder beim Geige spielen. Gewohnheitsmäßig hatte er in das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingegriffen. Die richtige primäre Kontrolle dieses Verhältnisses ist aber ganz entscheidend für den Gebrauch des gesamten Organismus. Und ein falscher Selbstgebrauch habe schädliche Auswirkungen auf die allgemeinen Funktionen, schreibt F. M. Alexander in: "Die Konstante im Fluss des Lebens", der Neuübersetzung von THE UNIVERSAL CONSTANT IN LIVING, die im Aug./Sept. 2019 bei BooksonDemand erscheinen wird.

F. M. ALEXANDER DEMONSTRIERT, WIE DAS iPHONE MIT RICHTIGEM GEBRAUCH ZU BENUTZEN IST

Das obige Foto, das diesmal Ausgangspunkt für meine Überlegungen war, ist von demjenigen, der es gepostet hat, mit "F. M. Alexander demonstriert, wie das iPhone mit einem richtigem Gebrauch zu benutzen ist" untertitelt. Tatsächlich ist F. M. Alexanders Blick auf seine Notizen gerichtet und nicht auf ein iPhone, von dem man zu jener Zeit noch nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Das Foto ist trotzdem eine Hilfe, um auf verschiedene Punkte hinzuweisen, die entscheidend für den Selbstgebrauch des Einzelnen bei der Benutzung auch des iPhones sind. Wenn die Daumen über die Tastatur fliegen, wenn Nachrichten aufgesprochen werden, wenn die Augen auf das Display gerichtet sind, ist ein guter Selbstgebrauch auch deshalb wichtig, weil es den Anschein hat, dass Mensch und iPhone mehr und mehr zu einer Einheit verschmelzen. Im Prinzip wird das iPhone heute kaum noch aus der Hand gelegt und ist nahezu rund um die Uhr im Dauereinsatz.

Das kann jeder auf dem Foto sehen: F. M. Alexander steht nicht mit gekreuzten Beinen, anders als es heute bei sehr vielen aus Gewohnheit der Fall ist. Wenn wir uns mit gekreuzten Beinen hinstellen, wird unser Gleichgewicht fragil und wir belasten die Hüft-, Knie- und Fußgelenke unnötig. In: Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert (BooksonDemand, 2018), der Erstübersetzung ins Deutsche von F. M. Alexanders MAN'S SUPREME INHERITANCE, schreibt er über das Gleichgewicht und das Stehen folgendes: "Der Mensch kann solange nicht eine Position stabilen Gleichgewichts einnehmen, wie die Füße nicht so gestellt sind, dass sie einen stabilen Stand gewährleisten und gleichzeitig Angel- und Drehpunkt sind. Unter diesem Gesichtspunkt ist ein Winkel von 45°, den die Füße zueinander bilden sollen, eine Basis, wie sie perfekter nicht sein kann. Alle anderen aufrechten Positionen werden in der Tendenz dazu führen, dass man ein Hohlkreuz ausbildet, den Bauch herausstreckt und den Rücken verkürzt." Unter weiter führt er aus: "Die Füße sind so zu setzen, dass sie als Bsais und als Dreh- und Angelpunkt die größte Wirkung erzielen können. So wird die Lage von Armen, Beinen und Rumpf so verändert, (..) dass die Schwerkraft ihnen wirklich helfen kann. Hauptsächlich sollte das Gewicht auf dem hinteren Fuß ruhen. Den Hüften sollte es erlaubt werden, soweit wie möglich zurückzufallen, ohne dass das Gleichgewicht , das von der Fußstellung bestimmt wird, verändert und ohne dass der Körper absichtlich nach vorne geschoben wird." Wenn im Stand der Rumpf bewegt werde, dürfe es auch "keine Verbiegung der Wirbelsäule oder des Halses geben".

Es heißt dann weiter: "Es kann allerdings so etwas wie eine richtige Standposition, die für alle Personen gleich wäre, nicht geben. Die eigentliche Frage ist nicht die nach der richtigen Position, sondern die nach einer richtigen Koordination der beteiligten Mechanismen. (.....) Eine fortlaufende Justierung der Körperteile ohne übertriebene körperliche Anspannung ist mehr als nur wohltuend. Allein schon das lange Leben und das hohe Gesundheitsniveau der Akrobaten und Jongleure sind Beweis dafür."

Ist nicht auch diese "fortlaufende Justierung der Körperteile ohne übertriebene körperliche Anspannung" auf dem Foto zu erkennen? Ein geschultes Auge kann sehen, dass F. M. Alexander nicht in das natürliche Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingreift, wenn er seinen Blick auf das fiktive Display gesenkt hält; der Hals wird nicht verspannt; er zieht den Kopf nicht ein; der Kehlkopf wird nicht niedergedrückt; die Wirbelsäule ist nicht verbogen; die Augen starren nicht auf den Bildschirm; der Atem wird nicht angehalten; die Arme sind nicht versteift und anderes mehr.

Stattdessen kann man erkennen: Der Rücken bleibt aufrecht. Der Stand ist stabil. Die Teile des Torsos bilden insgesamt ein harmonisches Ganzes. Die Bauchdecke funktioniert. Die Atmung ist ruhig. Und an all dem würde sich auch nichts ändern, wenn F. M. Alexander seinen Arm heben würde, um das "Display" vor den Mund oder ans Ohr zu halten. Die entsprechenden Justierungen würden erfolgen, ohne dass er in sein natürliches Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingreifen würde.

Daran würde sich auch nichts wirklich Entscheidendes ändern, wenn er sein "iPhone" im Gehen benutzen würde, denn "die Standposition, so wie sie oben erklärt worden ist, ist aus physiologischer Sicht auch der Ausgangspunkt für das Gehen. (..........) Die gesamte Physiologie des Gehens ist tatsächlich erstaunlich einfach. Das Gehen wird einfach nur aufgelöst in seine beiden primären Bewegungsphasen: Man lässt den Körper von dem Fußgelenk aus, auf dem das Gewicht ruht, nach vorne neigen und übergibt dann das Gewicht dem Fuß, der nach vorne gebracht worden ist, um zu verhindern, dass man fällt." Dass die Wirklichkeit heute oftmals anders aussieht, darauf, liebe Marie, werde ich bestimmt bei einer der nächsten Gelegenheiten zurückkommen.

Bis bald

Dein Großvater

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