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Im Brennglas der Alexandertechnik: Medieneinsatz in der Erziehung


Alexandertechnik

Liebe Marie,

"Kinder haben ein Recht auf Spannung und Unterhaltung", wird dieser Tage Michael Gurt, wissenschaftlicher Angestellter beim Institut für Medienpädagogik, in meiner Tageszeitung zitiert und meint mit der Einforderung dieses Rechts eigentlich, dass Spannung und Unterhaltung in Form von Streaming im Internet oder Fernsehbildern konsumiert werden sollen, um dann gleich in einer Art der Selbstrechfertigung des Instituts für Medienpädagogik beschränkende Regeln zum Konsum dieser Medien aufzustellen.

Was das Recht auf Spannung und Unterhaltung angeht, so sieht dies F. M. Alexander allerdings völlig anders. In Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert (BooksonDemand, 2018) schreibt er folgendes: "Man erlaubt noch nicht einmal, dass die Kinder ihre eigenen Spiele erfinden. Immer neue Spielzeuge, so teuer wie überflüssig, werden bereitgestellt. Sie sind so ausgeklügelt, dass es keiner Phantasie mehr bedarf, sie in reduzierte Modelle von Motoren, Zügen, Schiffen, Tieren, was auch immer, zu verwandeln: Sie sind es ja als Produkt schon. Und dann gibt es immer noch einen Erwachsenen, der das Kind "bespaßt" und ihm zeigt, wie man richtig spielt. Ich habe diesen Satz mit Absicht hervorgehoben, um die Absurdität dieses Handeln zu unterstreichen. Denn was sonst könnte dieses Handeln bedeuten, als dass der Erwachsene nur einen Versuch unternimmt, seine Vorstellung vom Spielen auf das Kind übertragen zu wollen? In meiner Kindheit noch hüpfte jeder alte Ziegelstein in die Rolle einer Lokomotive oder eines Pferdes. Der Denkprozess, der erforderlich war, um eine neue Realität hinter einer unmissverständlichen Gestalt zu sehen, schulte dann die Phantasie. So wuchsen die Kinder meiner Zeit und auch ich auf und waren zwar unzufrieden mit den armseligen Ersatzstücken, aber unsere angeregte Phantasie fand ihren Ausdruck darin, dass wir mit zunehmender Erfahrung die Realitäten unserer kindlichen Welt immer besser nachbildeten, indem wir Neues erfanden und die Dinge verbesserten. Und wir wuchsen mit Einübung auf. Wir hatten unsere kleinen Verantwortungsbereiche und brachten uns selber bei, wie man spielen musste und wie unser Spiel in den großen Bereich des sozialen Umgangs miteinander zu integrieren war. Aber welche Kompetenzen erlangt ein Kind, das in seiner Laufbahn der beständigen Überbetreuung nie Zeit mit sich selbst verbringt?"

Ich bin der festen Überzeugung, dass die reale Welt, gerade in dieser Zeit, so anregend und spannend für ein Kind ist, dass es wirklich keiner zusätzlichen Impulse durch die Medien bedarf, dass diese sogar noch aus einem anderen Grund als den von F. M. Alexander angeführten Gründen schädlich sind: All diese Medien, ob Fernsehen, Internet oder Smartphone stellen ihre Inhalte nämlich zweidimensional dar. So lernt das kindliche Auge, die Dinge der realen Welt eher auch nur zweidimensional wahrzunehmen. Tiefenwahrnehmung, die Wahrnehmung der dritten Dimension, geht so mehr und mehr verloren. Zudem gewöhnt sich das Auge daran, sich auf die Entfernungen von Smartphone, Tablet oder Fernsehen zu justieren, und verliert ganz allmählich die Fähigkeit, das, was außerhalb dieser Entfernungen liegt, überhaupt in den Blick zu nehmen oder gar scharf zu stellen. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass die Brille heute schon bei Kindern eher die Regel als die Ausnahme ist.

Die Energien, die notwendig sind, um die Regeln der Medienpädagogik aufzustellen und durchzusetzen, sollte man in der Erziehung besser verwenden, um zu verhindern, dass das KInd in seine primäre Kontrolle von Kopf, Hals und Rücken eingreift oder, wenn "das Kind schon in den Brunnen gefallen ist", um die Primärkontrolle über dieses Verhältnis wieder herzustellen. MIt einer Primärkontrolle, mit einer sinnlichen Wahrnehmung, auf die sich das KInd verlassen kann, und mit einem guten, koordinierten Gebrauch seines Selbst wird ein solches KInd die Spannung und die Unterhaltung, die diese Filmchen und Spiele versprechen, als gekünstelt und trivialen Ersatz erkennen, und sich sehr schnell wieder den spannenden und unterhaltenden Dingen seines eigenen Lebens zuwenden.

Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass tendenziell jeder, der ein Gefangener des Bildschirms ist, Ausfälle in den Bereichen sinnliche Wahrnehmung, Hemmung, Primärkontrolle und Gebrauch zeigt. Gerade der Hemmung, der Fähigkeit zum Nein-sagen kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Deshalb werde ich sie in der nächsten Woche unter das "Brennglas der Alexandertechnik" legen.

Bis bald

Dein Großvater

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