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Im Brennglas der Alexandertechnik: Morbus Crohn


Liebe Marie,

in Hagen hat sich jetzt der Verein Chronisch Glücklich e. V. gegründet. Er soll "Ansprechpartner und Stütze für Neuerkrankte und bereits diagnostizierte Personen sein", die an einer chronischen Darmentzündung (Morbus Crohn) erkrankt sind. Der Verein wolle "einen Austausch anbieten, wie man mit der Krankheit besser und vor allem glücklich durch den Alltag kommt". Man müsse eine gewisse Selbstdisziplin aufbringen, darauf achten, was man isst, und man dürfe sich nicht selbst überfordern.

Ein fiktives Gespräch zwischen der Gründerin des Vereins, die selbst an Morbus Crohn erkrankt ist, und F. M. Alexander könnte sich so entwickelt haben:

A. Eine Plattform des Austauschs zu schaffen und dort Mitgefühl zu erfahren und zu vermitteln ist eine sehr schöne Sache, aber sie beseitigt nicht die Entzündung des Darms.

T. Kann die Entzündung denn beseitigt werden, obwohl sie bereits chronisch geworden ist?

A. Wenn die Ursache für die Darmentzündung nicht mehr vorhanden ist, wird über kurz oder lang die Entzündung wieder verschwinden.

T. Was ist denn die Ursache für die Entzündung?

A. Wenn Organe oder Gewebe aus ihrer angestammten Position verschoben werden, können sie durchaus mit Entzündung reagieren.

T. Warum soll sich mein Darm denn aus seiner angestammten Position verschoben haben?

A. Wenn jemand in das richtige Verhältnis von Kopf, Hals und Rücken eingreift, kann es u. a. dazu führen, dass es zu Verschiebungen innerhalb der Bauchhöhle und des Brustkorbs kommt. Und auch der an sich harmonische und symmetrische äußere Körperaufbau kann durch Verschiebungen der einzelnen Teile zueinander und auf den verschiedenen Symmetrieachsen mit weitreichenden negativen Folgen in Unordnung gebracht werden.

T. Warum haben meine Ärzte dies nicht festgestellt?

A. Sie sind leider dafür nicht ausgebildet. In ihrer medizinischen Ausbildung ist der Gebrauch des Selbst für Gesundheit und Wohlergehen kein Thema. So können sie nicht sehen, wenn sich jemand schlecht gebraucht, und wissen auch nichts darüber, welche schädlichen Auswirkungen ein schlechter Gebrauch hat.

T. Gibt es eine Möglichkeit, diese Verschiebungen wieder rückgängig zu machen?

A. Wenn Sie lernen, nicht länger in den Einsatz ihrer primären Kontrolle von Kopf, Hals und Rücken einzugreifen, stellen sich mit der Zeit in der Tat wieder die natürlichen Bedingungen ein.

T. Wie kann ich das lernen?

A. Sie haben es bedeutend einfacher, als ich es damals hatte. Meine Probleme waren zwar andere - ich hatte meine Stimme verloren, was für einen Rezitator und Schauspieler nicht eben eine geringe Schwierigkeit darstellt -, denn ich musste die Technik, mit der dies zu schaffen ist, selbst entwickeln. Für Sie heißt das aber nicht unbedingt, dass der Weg dorthin einfach ist: Schlechte Gewohnheiten müssen abgelegt werden; insbesondere die kinästhetische Wahrnehmung muss entwickelt werden; Sie müssen lernen, die Reaktion auf Reize zu hemmen; bestimmte Selbstbefehle bahnen die neue und richtige Gewohnheit an, nicht in die Primärkontrolle einzugreifen. Die einzelnen Teile des Organismus müssen miteinander koordiniert werden. Das Bewusstsein für all diese Zusammenhänge muss sich aufbauen. Das alles braucht Zeit und einen ausgebildeten Lehrer.

T. Unser Verein hat sich Disziplin auf die Fahnen geheftet. Was halten sie davon?

A. Oh ja, es gehört schon eine gehörige Portion Disziplin dazu, nicht mehr das tun zu wollen, was sich richtig anfühlt. Ihr Richtig ist nämlich ein Falsch, weil das, was Sie kinästhetisch wahrnehmen, Täuschungen sind. Dass Sie so schwer erkrankt sind, belegt dies eindeutig. Ich verwende für das, was Sie Disziplin nennen, allerdings einen anderen Begriff: Hemmung. Hemmung ermöglicht es Ihnen, nein zu sagen, zu Ihren liebgewonnenen Gewohnheiten im Großen wie im Kleinen der feinen Bewegungsmuster, auf die es hier gerade ankommt. Einen Schüler durch die Bewegungen zu leiten, die sich falsch anfühlen, und ihm so die richtigen kinästhetischen Empfindungen zu vermitteln, ist eine der wesentlichen Aufgaben eines Lehrers bei der Vermittlung meiner Technik.

T. Kann ich irgendwo etwas darüber lesen?

A. Nun, junge Frau, ich habe vier Bücher über meine Technik verfasst. Aldous Huxley sagt, The Use of the Self sei von allen am klarsten geschrieben. Darin beschreibe ich detailliert den Weg, auf dem ich meine Stimme wiedergefunden habe. Ich rate Ihnen jedoch, alle vier in der richtigen Reihenfolge zu lesen, auch deshalb, weil ein anderes Vorgehen eine grobe Verletzung eines Grundprinzips des Lebens bedeutet: Direkt auf ein Ziel loszustürmen, nicht die Mittel und Wege zu bedenken, hat ungeahnte negative Auswirkungen. Mein erstes Buch Man's Supreme Inheritance - ich habe gehört, es ist inzwischen endlich ins Deutsche übersetzt worden und unter dem Titel Ein Vermächtnis der Evolution an die Menschheit von unschätzbarem Wert (BoD, 2018) erschienen. - bettet die Technik, die ich entwickelt habe, u. a. in einen übergeordneten Kontext ein. Das zweite Buch Constructive Conscious Control of the Individual ist bereits zweimal ins Deutsche übersetzt worden, zuletzt unter dem Titel Bewusste Kontrolle beim Auf- und Umbau des Menschen (BoD, 2018). Darin betrachte ich mein System aus dem Blickwinkel der sinnlichen Wahrnehmung. Und in meinem vierten und letzten Buch The Universal Constant in Living unternehme ich den Versuch, die vielen Vorurteile und Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, die es bis in Ihre Zeit verhindert haben, dass meine Technik mit in die medizinische Ausbildung und die Lehrerausbildung aufgenommen wird. Aber ich will wirklich nicht jammern.

Solange es nämlich noch Lehrer gibt, liebe Marie, die die Alexandertechnik vermitteln können, und solange es Menschen gibt, die sie erlernen wollen, ist das Geheimnis von Gesundheit und Wohlergehen noch nicht verloren.

Bis bald

Dein Großvater

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